Musik

12.04. | Album der Woche

Lizz Wright • Shadow

Blues And Greens · 12. April

12.04. | Album der Woche - Lizz Wright  • Shadow

Foto: Tony Smith


Trauer erforschen

Der Weg zu Lizz Wrights neuem Album »Shadow« führte die Sängerin durch schmerzvolle Übergangsphasen hin zu einem tieferen Verständnis ihrer Wurzeln.

Es war der langsame, graduelle Abschied von ihrer an Demenz erkrankten Großmutter Martha, der Lizz Wright zu den Arbeiten an ihrem neuen Album »Shadow« inspirierte. »Das Erforschen der eigenen Trauer« nennt die US-amerikanische Musikerin das selbst. »Es war ein Segen, dass dieser Prozess allmählich verlief«, erklärt sie im Interview. »Dadurch konnte meine Großmutter noch einige bemerkenswerte Gespräche mit ihren Kindern, Enkeln und Urenkeln führen. Sie war eine wahre Kämpferin, ein Zeichen für die Stärke des menschlichen Geistes.« Marthas Geschichte erzählt Wright unter anderem in dem Stück »Root Of Mercy«. »Es gibt diese Familienüberlieferung, dass sie immer betete, wenn sie den Feldweg von ihrem Haus hinunterging. Manchmal betete sie vor einer großen Eiche, die diese Art von Pilz auf sich hatte, der wie das Haar einer alten Frau aus- sah. Morbide, aber auch sehr romantisch. Ich habe dieses Bild nie vergessen – und auch, wie sie sich ganz offen vor uns verwandelt hat. Das war einfach eine surreale und langatmige Erfahrung.« Inspiriert von ihrer Großmutter habe sie auch viel über die Rolle der oft unbesungenen, schwarzen Matriarchinnen an sich nachgedacht, die mit ihrer Arbeit und Weisheit einen wichtigen Einfluss auf die US-amerikanische Geschichte hatten, erklärt sie: »Ich denke, es ist ein guter Moment, endlich die schwarze Matriarchin als ikonischen Archetypen zu würdigen.« Dass sich Wright in einem emotionalen Ausnahmezustand wiederfand, hatte auch mit den damaligen Pandemie-Lockdowns zu tun. »Zwischen dem schmerzhaften Verlust dieser großartigen Frau, der sich so langsam voll- zog, und der Ungewissheit darüber, wann ich wieder auf der Bühne stehen würde und was die Zukunft bringen würde, befand ich mich in einem Zustand der Unsicherheit und des Schwebens«, erinnert sie sich. »In dieser Zeit gab es kein Publikum, nur mich selbst. Es mag seltsam klingen, aber zum ersten Mal habe ich wirklich angefangen, für mich selbst, in einem ruhigen Umfeld, Bedeutung, Schönheit und Zweck zu finden.« Dass Wright eine hervorragende Geschich- tenerzählerin ist, hat sie auch ihrem Vater zu verdanken: »Er las mir alles Mögliche vor – darunter afroamerikanische Volksmärchen aus der Zeit der Sklaverei, die voller Magie, Dunkelheit und Humor waren«, erzählt sie. Als größten Einfluss bezeichnet sie außerdem drei ewige Jazzgrößen: Abbey Lincoln, Shirely Horn und Nina Simone.


Lizz Wright

Lizz Wright
Shadow

Blues And Greens, 12. April

Eigentlich hätte nicht nur Angelique Kidjo, sondern auch Meshell Ndegeocello als Gastsängerin auf Lizz Wrights neuem Album mit dabei sein sollen. Allerdings passte das für Ndegeocello aus diversen Gründen nicht wirklich – dafür schickte sie ihrer Kollegin völlig unerwartet eine Bassspur. So oder so: »Shadow« ist ein wunderschönes, abwechslungsreiches Album geworden, das Wright auf ihrem eigenen Label veröffentlicht und auf dem sie mehr denn je ihre Liebe zum Blues erforscht.

Markus Brandstetter