Musik

09.11. | Album der Woche

Babylon Berlin (Music From The Original TV-Series)

Stadt der Kontraste

Babylon Berlin (Music From The Original TV-Series)

BMG • 21. September

Tom Tykwers spektakuläre Historienserie Babylon Berlin hat einen nicht minder bemerkenswerten Soundtrack zu bieten, der vom Filmemacher maßgeblich mitgestaltet wurde. Dass es darauf auch zur Zusammenarbeit mit dem britischen Sänger, Songwriter und Roxy-Music-Gründer Bryan Ferry kam, ist dabei keine allzu große Überraschung, schließlich ist dessen Faible für die Goldenen Zwanziger bekannt.

Mr. Ferry, wäre die Zeit der Weimarer Republik für Sie als Künstler verlockend gewesen?

Berlin war damals ein Ort, der für neue Ideen in der Kunst empfänglich war, so dass ich mich dort sicher sehr wohl gefühlt hätte. Der aufgeregte Glamour der Nachtclubs und das Aufkommen neuer Haltungen und gewagter Verhaltensweisen wären spannend gewesen. Natürlich waren die 1920er Jahre nicht nur für Musik und Tanz, Kunst und Literatur, sondern auch für Mode, Architektur, Kommunikation und im Grunde genommen für die Geburt alles Modernen eine besondere Ära. Wie Ezra Pound es ausgedrückt hat: „Mach es neu!“

Ihre Vorliebe für die „Roaring Twenties“ haben sie zuletzt auf Ihrem Album „The Jazz Age“ demonstriert. Ich liebe Jazz seit meiner Kindheit. Gerade die Musik der 1920er ist besonders spannend, weil dort die spontanen Improvisationen begannen und auf Tonträger festgehalten werden konnten. Die Entdeckerfreude springt einem aus den Rollen dieser frühen Platten geradezu entgegen, und wir können wir uns glücklich schätzen, dass wir diese Musik erhalten konnten. Musiker wie Armstrong, Beiderbecke und Ellington erreichten auf ihren Instrumenten ein sehr hohes Maß an Exzellenz, indem sie ihre Kunstfertigkeit stundenlang in Nachtclubs und Tanzlokalen perfektioniert haben. Das klingt auch heute noch frisch.

In der Serie „Babylon Berlin“ hat Regisseur Tom Tykwer diese Zeit wiederaufleben lassen. Er ist auch für den Soundtrack verantwortlich. Wie haben sie sich kennengelernt?

Zum ersten Mal habe ich ihn im Berliner Grill Royal getroffen, wo ich regelmäßig bin. Wir haben uns sofort verstanden. Er war extrem simpatico und enthusiastisch. Ich habe gespürt, dass er jemand ist mit dem ich zusammenarbeiten kann. Weil ich bereits auf „The Jazz Age“ mit den Sounds experimentiert habe und die Musik dieser Ära weiter erforschen wollte, hatte ich einige passende musikalische Ideen. Als ich „Babylon Berlin“ schließlich gesehen habe, war ich sehr von Toms durchgängigem Einsatz der Musik beindruckt. Ich kenne ihn natürlich als Filmemacher, besonders mochte ich „Das Parfüm“, habe seine musikalische Qualifikation aber erst später wahrgenommen.

Was finden sie an „Babylon Berlin“ persönlich am interessantesten?

Ich liebe die visuelle Welt, die Tom für die Serie zum Leben erweckt hat. Seine Leidenschaft fürs Detail ist anregend. Es ist so wichtig, an die Hauptdarsteller einer solchen Serie zu glauben, und ich finde sowohl Liv Lisa Fries als auch Volker Bruch großartig! Ihre Leistung ist fesselnd und absolut überzeugend. Berlin gilt als Stadt der Kontraste und die Serie ist reich an Nuancen der Zeit. Sie ist wunderschön fotografiert und das wird durch den Score verstärkt. Besonders die Performance des eindringlichen Titelsongs „Zu Asche, Zu Staub“ mit den, von Josephine Baker inspirierten Tänzern habe ich sehr genossen. Ich kann die nächste Staffel kaum abwarten.

In den letzten Jahren haben sich Serien zur beliebtesten Form des visuellen Geschichtenerzählens entwickelt. Sind sie auch dem Binge-Watching verfallen?

Mein Terminplan erlaubt mir wenig Zeit dafür. Ich bin den größten Teil des Jahres auf Tour gewesen, und in den Pausen befinde ich mich normalerweise im Studio. Wenn ich die Zeit finde, genieße ich hauptsächlich Serien, die einen Einblick in die Vergangenheit geben, wie „Babylon Berlin“. Ich habe auch die Serie „Narco“s genossen. Vor kurzem habe ich mir Kenneth Clarks brillante Dokumentarserie „Civilisation“ noch einmal angesehen. Die Serie hat den Test der Zeit überstanden, ein fabelhafter Kulturführer! Übrigens empfehle ich auch seine ausgezeichnete Biographie, geschrieben von James Stourton.

Viele sehen in „Babylon Berlin“ eine große gesellschaftspolitische Parallele zu gegenwärtigen Entwicklungen. Sie auch?

Tom hat eine wunderbare Arbeit geleistet, diese flüchtige Ära unserer Weltgeschichte darzustellen. Ein Hauch von Geheimnis ist immer gut, wenn es um Kunst geht, und natürlich haben wir alle unsere eigenen Interpretationen darüber, wie sie sich auf die Gegenwart beziehen könnte.

Jens Mayer

Fazit Der Soundtrack zur teuersten deutschen Serienproduktion ist nicht nur aufgrund seines Titelsongs „Zu Asche, Zu Staub“ von Severija und Gastbeiträgen von Bryan Ferry und seines Orchesters empfehlenswert. Tykwer und der Komponist Johnny Klimek transportieren die düster-faszinierende Atmosphäre der Endphase der Weimarer Republik in die Gegenwart.