Musik

09.06. | Album der Woche

Anne-Sophie Mutter, Herbert von Karajan • The Solo Concertos

Deutsche Grammophon

09.06. | Album der Woche - Anne-Sophie Mutter, Herbert von Karajan • The Solo Concertos

Foto: Bartek Barczyk


Ein deutsches Phänomen

Wie ein Denkmal thront Anne-Sophie Mutter am internationalen Geigerhimmel. Sie gilt als die beste Geigerin der Welt. Ende Juni wird sie 60.

Ein Star sei erst als solcher zu bezeichnen, wenn er über Entwicklungspotenzial verfüge, sagte der berühmte Rock- und Popmanager Fritz Rau. Anne-Sophie Mutter ist weit mehr als das. Vom herzigen niedlichen Schwarzwaldmädel aus dem badischen Wehr bis hin zur glamourösen »Geigengöttin« – eine beispiellose Karriere hat sie hingelegt, kein zweiter Künstler in Deutschland kann das von sich behaupten. Dreizehn war sie, als ihre Lehrerin Aida Stucki sie 1976 nach Berlin zu Herbert von Karajan brachte. Lange musste sie auf den Maestro warten, doch nach dem Vorspiel dachte sie, sie könne es im Berliner Zoo mit den Krokodilen aufnehmen. So euphorisch war sie von seinem Lob, wie sie unlängst in dem Dokumentar-Film »Anne-Sophie Mutter – Vivace« erzählte. »Ich fühlte mich unbesiegbar.« Mit zunehmendem Alter zeigte sich, dass sie abgesehen von Talent und Willensstärke noch über zwei weitere Qualitäten eines Stars verfügte:ein charismatischer Auftritt in mondänen Roben und ein Instinkt für den richtigen Zeitpunkt und das adäquate gesellschaftliche Umfeld. Disziplin wurde ihr zur zweiten Natur. Jeder Auftritt, jedes Interview mit ihr verläuft minutiös getaktet und vorbereitet ab. Konsequent setzte sie ihre Arbeit auch nach dem frühen Krebs-Tod ihres ersten Mannes fort, der sie als Witwe mit zwei kleinen Kindern zurückließ. Sogar auf dem Jakobsweg nimmt die begeisterte Wanderin ihre Geige im Fiberglaskasten mit. Als junge Musikerin habe sie sich eher als Solistin empfunden. »Heute sehe ich mich als Musikerin, die im Austausch mit großen Musikern gereift ist«, durch die Begegnung mit zeitgenössischen Komponisten wie Witold Lutoslawski, Henri Dutilleux, Pierre Boulez, Andre Previn oder Krzysztof Penderecki, die ihr Werke widmeten. Den Hollywood-Filmkomponisten John Williams (»Star Wars«) allerdings musste sie, wie sie lachend erzählt, mit Weihnachtskeksen bezirzen, damit er ihr etwas komponiert. Sie selbst sieht ihr Leben als ein »work in progress«, mit Betonung auf ›work‹ und auf ›progress‹. »Mein leidenschaftlicher Plan seit Anbeginn ist«, sagte sie, als sie 50 wurde, »niemanden über Gebühr zu belästigen und zu lange auf der Bühne zu verweilen. Und daran halte ich fest und hoffe, dass ich mit Gottes Hilfe den Absprung rechtzeitig schaffe – dann eben, wenn ich der Musik nichts mehr oder auch meinem sozialen Engagement nichts Notwendiges, Positives mehr hinzufügen kann.« Nun wird Anne-Sophie Mutter 60. Und sie hat immer noch sehr viel zu sagen.


Anne-Sophie Mutter

Anne-Sophie Mutter, Herbert von Karajan
The Solo Concertos

Deutsche Grammophon, 9. Juni

»Sie ist einfach ein Genie auf der Geige«, sagte Herbert von Karajan über Anne-Sophie Mutter. Zu ihrem 60. Geburtstag erscheint eine limitierte Vinyl-Ausgabe (5 LPs) ihrer Solokonzert-Aufnahmen unter der Leitung ihres Mentors. Neben ihrem Mozart-Debütalbum von 1978 sind auch die Konzerte von Beethoven, Mendelssohn, Bruch und Brahms dabei, jeweils mit den Berliner Philharmonikern. Die 5. LP enthält einen Live-Mitschnitt des Tschaikowsky-Konzerts mit den Wiener Philharmonikern von 1988, die letzte Zusammenarbeit Mutters mit Karajan.

Teresa Pieschacón Raphael