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09.05. | Kinotipp der Woche

Teaches Of Peaches

09.05. | Kinotipp der Woche  - Teaches Of Peaches

Foto: Avanti Media Fiction


Neue Träume

In einem retrospektiven Dokumentarfilm lässt sich Peaches für mehr als 20 Jahre fröhliches Genderbending feiern. Ihre Geheimwaffe ist ihre gute Laune.

Die vorletzten Momente des Films gehören einem Live-Auftritt. Merrill Nisker alias Peaches steht in ihrer Wahlheimat Berlin auf der Bühne. Es ist die letzte Show ihrer Jubiläumstour, und der Saal ist ausverkauft. Die Kameras streifen die fröhlichen Gesichter im Publikum und schwenken dann wieder auf die Künstlerin. Die kommt aus den Kulissen mit einem Rollator und einem ungewöhnlichen Kopfschmuck, der sich bei näherer Betrachtung als eine Art Bischofshut in VulvaForm herausstellt. Das Publikum quietscht vor Begeisterung, und Peaches singt ihren bekanntesten Song: »Fuck The Pain Away.« Für Nicht-Initiierte ist nicht nur die dargebrachte Hingabe überraschend, sondern auch die pure Gutartigkeit, die aus allen Poren der Performance quillt. Und das weiß Peaches bei aller Bescheidenheit selber am besten. »Ganz ehrlich: Es vergeht kaum ein Tag in meinem Leben, an dem mir nicht jemand sagt, dass ich ihr Leben verändert hätte«, sagt sie. »Nicht ich persönlich, denn sie kennen mich ja nicht, aber Peaches und ihre Musik. Das passiert den Leuten auch nicht nur in Europa oder in den USA, sondern sogar in Ländern wie Kolumbien.« Das war schon vor 20 Jahren so, als das benutzbare Internet noch in den Kinderschu- hen steckte, das war auch dort schon so, wo Peaches-Songs wegen ihrer vermeintlich anstößigen Texte aus dem Radio verbannt worden sind. Aber die Botschaft hat sich durchgesetzt, vor allem bei den unzähligen Menschen, die sich mit ihrer eigenen Sexualität sonst nicht gesamtgesellschaftlich repräsentiert fühlen. Nisker weiß genau, welche Erlaubnis sie ihnen mit ihrer Musik erteilt hat. »Ich habe immer scherzhaft gesagt: Nicht ich soll mich dem Mainstream anpassen, der Mainstream soll sich an mich gewöhnen«, meint sie. »Und ich glaube, das ist auch passiert. Dazu muss man sich nur die ganzen Veränderungen in queerer Kultur ansehen, inklusive des dazu- gehörigen Vokabulars. Generell habe ich den Eindruck, dass es einen Trend gibt, Menschen einfach sie selbst sein zu lassen. Und diese Normalisierung spiegelt sich inzwischen auch in den Medien wider.« Auf humorvolle Art trägt dazu auch »Teaches Of Peaches« bei, der Dokumentarfilm, der eigentlich nur ein Vorwand für ein etwas länge- res Date mit einer Popkünstlerin sein will und der seinen lebensanschaulichen Optimismus unaufdringlich zwischen den Zeilen platziert.»Meine Träume sind wahrgeworden«, sagt Peaches. »Aber das heißt nur, dass ich jetzt neue Träume habe.«


Teaches Of Peaches

  1. Mai • 1 Std. 47 Min.

Kurz nach der Jahrtausend­wende schlägt die Stunde von Peaches, und Merrill Nisker macht ihre ganz eigene Rech­nung auf: Electroclash­Sounds plus Sexualität gleich nachhal­tige Selbstbefreiung. Der Punk­ Spirit von damals ist inzwischen einer Mission fürs Leben gewi­chen, doch das Publikum frisst der Musikerin weiterhin aus der Hand. Zwischen Kunstfigur und Authentizität siedelt auch dieser Dokumentarfilm, der subsum­miert: Peaches ist chaotisch, witzig und sexpositiv. So etwas braucht die Welt.

Markus Hockenbrink