Musik

08.12. | Album der Woche

Hauschka • Philanthropy

City Slang

08.12. | Album der Woche - Hauschka  • Philanthropy

Foto: Misan Harriman


Geteilte Freude

Als Volker Bertelmann damals seinen Lebensunterhalt als Klavierlehrer bestritt, überkam ihn die Angst, dies könne die Endstation sein. Weit gefehlt. Neben seiner erfolgreichen Solo-Karriere schlägt er als Hauschka mittlerweile auch als Film- komponist Wellen: Dieses Jahr durfte er sich für den Soundtrack zu »Im Westen nichts Neues« einen Oscar ins Regal stellen.

Volker Bertelmann, sind Sie Menschenfreund?
Absolut. Wenn man sich Gedanken über die Endlichkeit der Lebenszeit macht, bleibt einem gar nichts anderes übrig. Wie soll man ein großartiges Leben führen und gleichzeitig Menschenhasser sein? Das geht nicht.

Woran mangelt es trotzdem vielen Menschen?
Ich glaube, dass viele zu stark von der Frage abgekoppelt sind, warum wir eigentlich auf der Erde sind. Sie verlieren das Gefühl dafür, dass die Uhr ab der Geburt läuft und man sich fragen sollte, was man mit dieser wertvollen Zeit macht. Viele schalten auf Autopilot, arbeiten fürs Wochenende und versuchen, sich mit dem verdienten Geld irgendetwas zu kaufen, das vermeintlich Spaß macht. Bis man feststellt, dass das ein Trugschluss ist. Ich leistete meinen Zivildienst in einem Krankenhaus ab und begleitete viele Menschen beim Sterben. In dieser Zeit wurde mir klar, dass es im Leben darum geht, eine qualitativ hochwertige Zeit zu verbringen, indem man beispielsweise Freude mit Menschen teilt. Das macht unterm Strich am zufriedensten.

Ihre Musikkarriere verlief nicht gerade linear. Sie waren in Bands tätig, studierten zwischendurch BWL und Medizin und brachen beides wieder ab.
Obwohl Musik in meinem Leben immer all- gegenwärtig war, schaffte ich die Verknüp- fung zum Beruf nicht. Ich stellte mir lange die Frage, welche Art von Musik ich machen will. Mit Anfang 20 dachte ich, ich will Popstar werden: ein Leben mit großen Nightlinern und Groupies. (lacht) Während des Medizinstudiums erlebte ich das mit meiner ersten Band und stellte fest, dass diese Welt gar nichts für mich ist.

Warum?
Sie ist sehr kurzlebig und der einzelne Mensch spielt keine Rolle, sondern ist austauschbar. Man kann einen Hit haben und fällt danach genauso schnell, wie man zuvor aufgestiegen ist. Ich war auf der Suche nach etwas Langfristigem, nach etwas, womit ich mich identifiziere, und das habe ich lange nicht gefunden. Ich hatte immer wieder mit Rückschlägen zu kämpfen. Ich dachte, du kannst jetzt nicht 40 werden und keinen Beruf haben. Dann fing ich an einer kleinen Musikschule als Klavierlehrer an. Meine Kinder wurden geboren und ab diesem Zeitpunkt bestand auch finanzieller Druck. In dem Moment dachte ich: Okay, das ist vielleicht die Endstation.

Was war das für ein Gefühl?
Ich hatte den Angstschweiß auf der Stirn stehen, weil dieses Leben überhaupt nicht meiner Vorstellung entsprach. Man sollte einen Job ausüben, der einen erfüllt. Natürlich ist das eine luxuriöse Sichtweise und man muss im Blick haben, dass ein Großteil der Menschen nicht die Möglichkeit hat, den Traumberuf auszuüben. Aber wenn die Ressourcen vorhanden sind und man etwas gefunden hat, das einen inspiriert, bin ich der Meinung, dass man es sich schuldet, es wenigstens zu versuchen. Man sollte anstreben, die begrenzte Zeit, die man hat, mit möglichst viel Inhalt zu fül- len. Während meines Zivildienstes merkte ich, dass Menschen, die nach diesem Ansatz lebten, dem Tod deutlich entspannter ins Gesicht sahen. Das hat mich immer ermutigt, dahingehend zu investieren. Ich wollte unbedingt aus der Musikschule raus und organisierte mich so, dass ich pro Woche zwei freie Tage hatte, um an meinen Projekten zu arbeiten. Da dies losgelöst von meiner wirtschaftlichen Situation war, hatte ich die Freiheit viel auszuprobieren. Mit den ersten Alben kamen die Konzerte, die finanziell schnell lukrativer waren als mein Job als Klavierlehrer. Ich merkte, wie sich langsam alles fügte.

Sie bezeichnen sich selbst als Optimist.
Ja, doch ich hatte auch Zeiten, in denen es mir mental nicht so gut ging. Was mir half, war eine Veränderung des Blickwinkels. Es fing mit Dauerläufen an. Ich merkte, wie ich mit einer gewissen Routine meine Leistungsfähigkeit steigern kann und so realisierte ich, dass man sich nicht mit Situationen abfinden muss, sondern es mit den richtigen Rezepten selbst in der Hand hat, Dinge aus sich selbst heraus zu verändern.


Hauschka
Philanhtropy

City Slang, 20.10.

Hauschka

»Klischeehafte Klaviermusik mag Hauschka nicht, weil sie ihm oft zu pathetisch ist und wenig Interpretationsspielraum lässt. Um das zu vermeiden, macht der Düsseldorfer sich auf »Philanthropy« oft ein repetitives Element zu Nutze und erzeugt so eine neutrale Grundstimmung, bei der Raum und Zeit verschwimmen, bevor die einzelnen Songs sich zögerlich entfalten. Obwohl Hauschka erstmals auch Synthesizer benutzt, bleibt das präparierte Klavier weiterhin eine Grundzutat seines besonderen Sounduniversums. Titel wie »Science« schwirren kaum greifbar und schwerelos durch den Raum, während sich die wunderschönen Melodien von »Nature« oder »Limitation of Lifetime« sofort im Gehörgang festsetzen. Mit »Philanthropy« manifestiert Hauschka seinen Status als kreativer Soundtüftler, der nicht nur in Sachen Filmmusik einer der ganz Großen ist.