Musik

07.04. | Album der Woche

Eva Cassidy With The London Symphony Orchestra • I Can Only Be Me

Blix Street

07.04. | Album der Woche - Eva Cassidy With The London Symphony Orchestra • I Can Only Be Me

Foto: Larry Melton


Die Lilie vergolden

26 Jahren nach ihrem Tod wird für Eva Cassidy ein Traum wahr, der ihr zu Lebzeiten nie erfüllt wurde. Federführend dabei war der Komponist Christopher Willis.

Wie viele Menschen Eva Cassidy mit ihrer Stimme bewegen sollte, durfte die US-amerikanische Sängerin selbst nicht mehr erleben: Sie starb 1996 im Alter von 33 Jahren, nur kurz nach der Veröffentlichung ihres Debütalbums. Zeit ihres Lebens spielte sie in halbleeren Sälen, nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit. Erst viele Jahre nach ihrem Tod wurde die Welt auf ihre unvergleichliche Stimme aufmerksam. Umso mehr ist »I Can Only Be Me« ein Album, auf dem Cassidys Gesang mit dem London Symphony Orchestra zu hören ist – Teil einer Geschichte über posthume Genugtuung. Die Idee, Eva Cassidys Stimme umrahmt vom Klangkörper eines Sinfonieorchesters erstrahlen zu lassen, existierte bereits länger. Dennoch gab es bei den Beteiligten eine gewisse Vorsicht. »Um einen shakespearianischen Ausdruck zu benutzen: Wir hatten die Befürchtung, die Lilie zu vergolden [Im Original: gilding the lily, Anm.], also etwas über ein Bild malen zu wollen, das gar nicht übermalt werden musste«, erzählt Christopher Willis. Der australisch-britische Komponist, der für acht der neun Arrangements verantwortlich zeichnet, befand sich in einer besonderen Situation – und empfand bei dieser delikaten Aufgabe ein (wenn auch imaginäres) Näheverhältnis zu Cassidy: »Man hat bei ihrer Musik immer sofort das Gefühl, ihr nahe zu sein. Dabei kann man schon mal in Versuchung geraten, zu glauben, man würde wissen, was sie gewollt hätte. Aber tatsächlich gab es etwas, von dem ich sofort Feedback bekam, wenn ich mich vom Arrangement her zu weit vom Ursprung weg bewegte: nämlich Evas Stimme.« Für die akribische Bereinigung und Isolierung der originalen Gesangsspuren wurde unter anderem Künstliche Intelligenz zur Hilfe genommen. Umso beeindruckender ist, dass es sich beim Ausgangsmaterial großteils um Liveaufnahmen eines Clubkonzerts handelte. »Es war ein kleiner Club, ich glaube, die Leute haben sogar gegessen und getrunken, während sie gesungen hat. Es ist also ein echtes Zeugnis für die Leistung von Dan Weinberg, dem es zu verdanken ist, dass es sich wie ein Studioalbum anfühlt und ihre Performance so unverfälscht klingt«, erzählt Willis. Was das Faszinosum Cassidy seiner Meinung nach ausmacht? Es seien diese Ruhe, diese Unaufdringlichkeit und Authentizität, die Cassidys Stimme ausstrahle, meint Willis. »Wir sind durch Castingshows sehr an stimmliche Pyrotechnik-Einlagen gewöhnt. Eva hatte hingegen etwas sehr Natürliches. Bei ihr ging es nur um die Kommunikation, von Mensch zu Mensch.«


Eva Cassidy

Eva Cassidy With The London Symphony Orchestra
I Can Only Be Me

Blix Street, 03.03.

Zeit ihres Lebens soll Eva Cassidy den Wunsch gehegt haben, ein Album mit einem Orchester aufzunehmen. Posthum wurde ihr Wunsch nun wahr. Die von Christopher Willis und William Ross geschaffenen Arrangements sind ein hörenswertes Wechselspiel aus Erhöhung und Aussparung. An manchen Stellen unterstreichen sie das bereits existierende, andernorts denken sie es, stets behutsam, in eine neue Richtung. »I Can Only Be Me« ist ein frischer Blick auf das Werk einer einzigartigen Künstlerin – zeitlos und bewegend.

Markus Brandstetter