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06.06. | Kinotipp der Woche

King's Land

06.06. | Kinotipp der Woche  - King's Land

Foto: Plaion Pictures / Henrik Ohsten


Ein Mann der Geschichte

Nach einem verunglückten Hollywood-Abstecher mit »The Dark Tower« kehrt Regisseur Nikolaj Arcel nach Dänemark zurück und besinnt sich auf sein Talent für heimische Historiendramen. Wieder mit dabei: Mads Mikkelsen, der für die Rolle in »King’s Land« zum zweiten Mal den Europäischen Filmpreis gewann. Wir trafen ihn in Venedig zum Interview.

Mads Mikkelsen, Ihr neuer Film spielt vor dem Hintergrund der ersten zögerlichen Besiedlung der dänischen Heide in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Das hat was von einem skandinavischen Western, oder?
Klar, dieser Vergleich liegt auf der Hand. Wie könnte man auch nicht an die Siedler im Wilden Westen denken? Immerhin habe ich in »King’s Land« ein Pferd, ein Gewehr und werde – zumindest teilweise – von Menschen angegriffen, die dort schon leben. Ist halt nur ein dänischer Western, in dem es dann auch um Dinge wie den Anbau von Kartoffeln geht. (lacht)

Als Vorlage diente ein Roman. Ist diese Zeit, in der der dänische König die Kolonisierung dieses kargen Landstrichs von Jütland förderte, ein wichtiges Kapitel Dänemarks?
Durchaus, aber es ist vor allem eines, das relativ unbesungen ist. Anders als etwa die Geschichte, die Nikolaj Arcel und ich vor etlichen Jahren in »Die Königin und der Leibarzt« erzählt haben. In »King’s Land« geht es um einfachere Menschen. Solche, um die sich kein Mensch geschert hat, wenn sie einfach verschwanden oder ihr Leben verloren, weswegen sie eben meistens nicht in den Geschichtsbüchern auftauchen.

Haben Sie bei Historienfilmen das Bedürfnis, auch noch eigene Recherchen anzustellen? Oder verlassen Sie sich da auf das Drehbuch? In der Tat bin ich da oft geradezu besessen von den kleinsten Details und beschäftige mich so intensiv mit der Thematik und der Zeit wie irgend möglich. Mir ist Authentizität wirklich enorm wichtig, darauf kommt es in solchen Geschichten an. Ich lege zum Beispiel großen Wert darauf, an eine Story wie diese nicht mit Moralvorstellungen von heute heranzugehen. Natürlich zuckt man zusammen, wenn in »King’s Land« ein Kind geschlagen wird, selbst von einer Frau. Aber das war damals so. In einem Punkt allerdings konnte ich mich mit meinem Authentizitätsanspruch nicht durchsetzen. Ich gab nämlich zu bedenken, dass das Küssen als romantische Geste etwas ist, das sich erst ab circa 1880 etabliert hat. Damit die Liebesgeschichte in unserem Film aber glaubhaft für ein heutiges Publikum funktioniert, bestand Nikolaj trotzdem darauf, dass es einen Kuss gibt.

Wie in diesem Fall mit einem Regisseur zum wiederholten Mal zu drehen, macht die Arbeit sicherlich leichter, oder?
Es ist nicht so, dass wir uns nicht schon beim ersten Film prächtig verstanden hätten. Aber klar, wenn man noch nie zusammengearbeitet hat, muss man sich erst einmal beschnuppern und eine gemeinsame Kommunikationsebene fanden. Das fiel dieses Mal weg, unsere Wellenlänge hatten wir bereits etabliert. Und das heißt, dass man gleich am ersten Tag richtig loslegen kann. Wir haben uns wirklich fast blind verstanden. Als es zum Beispiel um die Besetzung der anderen Rollen ging, waren unsere Favoritinnen und Favoriten jedes Mal gleich.

Sie waren so involviert in den Entstehungsprozess, dass Sie sogar das Casting mitverantwortet haben?
Das klang vielleicht missverständlich. So wirklich etwas zu sagen hatte ich da nicht, ich war nur der Hauptdarsteller, sonst nichts. Das würde auch ein merkwürdiges Ungleichgewicht in die Arbeit zwischen mir und dem Rest des Ensembles bringen. Aber als es bei einigen Rollen um die banalen Entscheidungen ging, war Nikolaj an meinem Rat interessiert, schließlich mussten wir auch ein bisschen gucken, mit wem die Chemie stimmt. Als ich Probeaufnahmen mit Simon Bennebjerg machte, waren wir uns sofort sicher: Es gab keine andere Wahl für den Bösewicht in unserer Geschichte, denn Simons Ausstrahlung haute uns komplett um.

Zum ersten Mal seit Langem hört man Sie in »King’s Land« auch wieder ein bisschen Deutsch sprechen. Liegt Ihnen das eigentlich näher als Englisch? Einfacher fand ich es nicht, im Englischen habe ich viel mehr Übung und spreche die Sprache deutlich besser. Aber es gibt eine Nähe zwischen dem Dänischen und dem Deutschen, durch die ich eine Vertrautheit mit der Sprache habe. Ich verstehe sie ziemlich gut, und wenn ich mich etwas bemühe, geht es auch mit dem Sprechen. Wobei es ein Segen war, beim Dreh auch Kollegen aus Deutschland dabeizuhaben. Die waren nämlich richtig gute Lehrer und haben mich – mit viel Vergnügen – nur allzu gerne korrigiert.

King's Land
2 Std. 7 Min. • ab 06. Juni

Im Alleingang will 1755 der Offizier von Kahlen, der es beim deutschen Militär weit gebracht hat, aber in Dänemark nicht zu den besseren Kreisen gehört, in der kargen Heide aller Gefahren zum Trotz eine neue Existenz samt eigenem Anwesen aufbauen. Doch die Wölfe und Räuber, die ihm dabei zu schaffen machen, sind nichts im Vergleich zum skrupellosen Großgrundbesitzer Schinkel, dem der neue Nachbar ein Dorn im Auge ist. Zwischen Western, Historiendrama und Kostüm-Romanze gelingt Regisseur Nikolaj Arcel ein ungemein packendes und erstaunlich modern wirkendes Epos, das mit Bildern von karger Schönheit auftrumpft. Eine Klasse für sich ist dabei einmal mehr Mads Mikkelsen, der es wie wenige andere versteht, aus stoisch-stiller Präsenz echte Wucht und magnetisches Charisma zu entwickeln.

Patrick Heidmann