Musik

05.03. | Album der Woche

The Pretty Reckless • Death By Rock And Roll

Century Media

„Rock’n’Roll hat mir das Leben gerettet.“

Als Sechsjährige verzaubert sie das Kinopublikum an der Seite von Jim Carey mit ihrer Darstellung der Cindy Lou Who in „Der Grinch“. Es folgen Modeljobs und Serienrollen – bis Momsen den Hardrock für sich entdeckt. Mit ihrer Band The Pretty Reckless veröffentlicht sie jetzt ein neues Album, darauf Lieder zwischen Schmerz und Hoffnung.

Taylor Momsen, wenn das letzte Jahr ein Song wäre, wie würde er klingen?
Gute Frage. Ein Lied reicht da wohl nicht. Es wäre ein Album, das eine ganze Palette von Gefühlen abdeckt: Wut, Frustration, Traurigkeit, aber auch ganz viel Hoffnung. So verrückt die Zeiten sein mögen, sie sind auch hochspannend. Da ist ja nicht nur die Pandemie, es bricht auch eine neue Ära an. Die Dinge verschieben sich, es ist ein bisschen so wie in den 60er Jahren, eine Art kulturelle Renaissance. Ich persönlich finde es toll, Geschichte so hautnah mitzuerleben, das ist eine überaus kraftvolle Erfahrung.

Jeder hat seine Art, mit Krisen umzugehen. Wie behalten Sie einen klaren Kopf? Das mag wie ein Klischee klingen, aber für mich ist Musik der Anker. Musik gibt mir Sicherheit, wenn ich das Gefühl habe, die Balance zu verlieren. Ich kehre dann oft zu den Klängen meiner Kindheit und Jugend zurück, zu den Liedern der Beatles. Das ist fast wie Meditation für mich. Was die sozialen Kontakte angeht, habe ich ohnehin einen leichten Hang zum Einigeln, also komme ich ganz gut zurecht. Ich habe auch meine Tiefs, aber Kunst hilft mir immer heraus, die Musik, die Malerei. Und wenn gar nichts mehr geht, gibt es immer noch Netflix. (lacht)

Witzig, dass es immer wieder auf die Beatles hinausläuft.
Kannst Du Dir eine Welt ohne sie vorstellen? Absolut unmöglich. Sie waren so unglaublich gut. Ich habe gerade heute die alten Demos aus der "Beatles Anthology" gehört, das ist schon fast unfair, wie großartig sie waren, die pure Magie.

Von alten Demos zu neuer Musik – "Death By Rock And Roll" heißt das aktuelle Album Ihrer Band The Pretty Reckless. Was hat es mit dem Titel auf sich?
Wir haben in den letzten Jahren viele Verluste erlebt, unter anderem ist unser Produzent Kato Khandwala bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen. Kato war mein bester Freund, "Tod durch Rock’n’Roll" war eine Catchphrase von ihm, unser Band-Ethos. Es bedeutet, dass du das Leben auf deine Art leben sollst. Lass’ dir keinen Scheiß erzählen. Rock’n’Roll, bis ich sterbe! Das ist meine Art der Freiheit. Damit ist weniger der Tod gemeint, vielmehr ist es der Schlachtruf, das Leben zu feiern.

Sie sind jetzt 27, in der Musikwelt ein zuweilen tragisches Alter.
Ich habe auch eine sehr dunkle Phase durchlebt, ich hatte Depressionen, nahm Drogen. Eine Zeitlang war ich nicht sicher, ob ich überhaupt 27 Jahre alt werden würde. Ich entschied mich aber fürs Leben. Das mag erneut wie ein Klischee klingen, aber Rock’n’Roll rettete mir das Leben. Ich kann stolz von mir behaupten: Hey, ich habe es bis zur 27 geschafft, jetzt geht es Richtung 28. Ich fühle mich da auf einem sehr guten Weg.

Auf dem Plattencover sind Sie völlig nackt zu sehen.
Artwork ist immer ein großes Thema. Bei diesem Foto geht es darum: Du kommst nackt auf die Welt, mit nichts als deiner Seele, und du gehst nackt von dieser Welt. Diese Reinheit drückt das Bild für mich aus, es sollte auf keinen Fall schockieren.

Ein Song ist mit Kim Thayil und Matt Cameron von Soundgarden entstanden.
Neben den Beatles meine absolute Lieblingsband. Mit The Pretty Reckless haben wir bei ihrer letzten Tour als Supportband gespielt. Wir waren in Detroit dabei, in jener Nacht, als Chris Cornell starb. Das war eine Tragödie, für die ich keine Worte habe. Die Freundschaft zu Matt und Kim hat bis heute so eine Tiefe. Sie bei diesem Album dabei zu haben, ist etwas ganz, ganz Besonderes für mich. Eine überwältigende, sehr emotionale Erfahrung.

Ein ganz schön langer Weg vom Kinderstar, von Cindy Lou Who mit ihren niedlichen Zöpfen, bis zum Rock’n’Roll von heute.
Weihnachten ist immer komisch für mich, weil "The Grinch" dann überall läuft. Aber je älter ich werde, desto mehr mache ich meinen Frieden damit. Zudem war es mein allererster Studioaufenthalt. Ich setzte mir die riesigen Kopfhörer auf, sang ins Mikro und verliebte mich in die Musik. Damit fing alles an.

Foto: Indira Cesarine


The Pretty Reckless
Death By Rock And Roll

Century Media

Fazit
Mit dem Titelsong als erster Single-Auskopplung zeichnete es sich bereits ab: Die Trauer über den Tod ihres langjährigen Produzenten Kato Khandwala haben The Pretty Reckless in schiere Energie umgewandelt. "Death By Rock And Roll" bedeutete ihre fünfte Nummer 1-Single in den USA. Die Band aus New York City ist damit die erste Rockband mit einer Frau am Gesang, der das gelungen ist. Auf Länge bietet das vierte Studioalbum seit 2010 die ganze Skala an Hardrock-Emotionen. Balladeskes Drama wie "25", schwere Groover vom Schlage "Witches Burn", dazu zwei tolle Kollaborationen: "And So It Went" mit Tom Morello (Rage Against The Machine) und "Only Love Can Save Me Now" mit Kim Thayil und Matt Cameron als grandioser Soundgarden-Tribute.

Ingo Scheel