Musik

02.06. | Album der Woche

The Aces • I've Loved You For So Long

Red Bull Records/ Membran

02.06. | Album der Woche - The Aces • I've Loved You For So Long

Foto: Julian Burgeno


Wohlfühlräume

Der elegante Dream Wave Pop von The Aces bietet vielen Menschen, die sich nicht daheim fühlen können, wo sich die Mehrheit einrichtet, eine sichere Zuflucht.

In Deutschland wäre es vielleicht Münster. Oder Heidelberg. In den USA ermittelte der »Well Being Index« des Forschungsinstituts Gallup einst Provo in Utah als lebenswerteste Stadt des Landes, vor Boulder und Fort-Collins Loveland in Colorado sowie Honululu. Die vier hochtalentierten Musikerinnen Alisa und Cristal Ramirez, Katie Henderson und McKenna Petty, die schon als Schulkinder gemeinsam spielten, starteten ob ihrer Heimat also mit besten Voraussetzungen. Möchte man meinen. Doch die Siegerstadt im Mittelwesten erzielt ihre hohe Punktzahl in einer Kategorie wie »emotionale Gesundheit« auch deshalb, weil die meisten ihrer frommen Einwohner sich in dem dortigen religiös-konservativen Kokon geborgen fühlen. Vor allem die Schwestern Alisa und Cristal, die beide lesbisch leben und deren verträumtes Indie-Pop-Quartett heute auch in der queeren Szene hoch im Kurs steht, engten diese Wurzeln eher ein. Zugleich sorgten sie dafür, nie zu vergessen, dass Menschen aus einem »sehr religiösen Umfeld, in dem das, was einem beigebracht wird, wirklich wie Leben oder Tod ist«, ob ihrer unflexiblen Haltungen »nicht gleich schlechte Menschen sind.« Diese »Grundwerte«, so Cristal, »sind einfach schwer zu erschüttern«. Statt diese zu attackieren, bieten The Aces somit lieber all jenen eine Zuflucht, die sich ebenfalls gesellschaftlich abseits fühlen oder gar, wie Cristal selber, mit psychologischen Problemen wie einer Angststörung zu kämpfen haben. Ein Problem, über das sie auf dem aktuellen Album ganz offen singt und das gegenüber den Betroffenen die Empathie erfordert, »einfach nur nett« zu bleiben. Sie selbst wünscht sich umgekehrt, anderen gegenüber ebenfalls »freundlicher« und »nicht so voreingenommen« gewesen zu sein, denn bloß, weil man etwas nicht begreife, bedeute das nicht, dass es irrelevant und darauf keine Rücksicht zu nehmen sei. Eine Reihe »wirklich süßer Briefe von Leuten«, die »zu schüchtern« wären, es der Band nach einem Gig selber zu sagen, bezeuge, wie die Songs und vor allem das Live-Erlebnis mit ähnlich Gesinnten und Fühlenden dem Aces-Publikum eine sichere Heimat zu bieten vermögen. Stilistisch betreten die Menschen in diesem Zuhause gemeinsam mit den vier Musikerinnen verschiedene Räume. Früher stark von »verträumtem, luftigem Gitarren-Pop« geprägt, hätten sie sich dieses Mal eher in ihre Nostalgie für »80er-New-Wave« gestürzt. So oder so bleibt es: Ein Lieblingsort.


The Aces The Aces
I've Loved You For So Long

Membran, 02. Juni

Das dritte The-Aces-Album fusioniert den luziden Dreampop der Vorgänger in der Tat in müheloser Meisterinnenschaft mit den ebenso grazilen wie dynamischen Traditionen der 80er-Jahre. In den Echos der Gitarren und Stimmen von »Not The Same«schwingen The Cure ebenso mit wie Talk Talk. Ein »Solo«pumpt Synthie-Wave-Pop in urbanen Neonfarben. Der »Suburban Blues« ist keiner, sondern erbaulicher Uptempo-Poprock, der sich einerseits so groß macht wie U2 und andererseits doch verträumte Indie-Melancholie bleibt.

Oliver Uschmann