Kino

01.09. | Kinostarts der Woche

01.09. | Kinostarts der Woche

Die Zeit, die wir teilen

Three Thousand Years of Longing

Freibad


Die Zeit, die wir teilen

  1. August, 1 Std. 41 Min.

Für seinen zweiten Spielfilm hat Regisseur Laurent Larivière niemand geringeren als Isabelle Huppert für die französisch-deutsch-irische Koproduktion vor die Kamera bekommen. Als die ehemalige Ver-legerin Joan (Huppert) nach vierzig Jahren auf der Straße ihrer Jugendliebe begegnet, erschüttert sie das tief, und sie zieht sich zurück, um ihr Leben Revue passieren zu lassen. In verschiedenen Zeit-sprüngen erfahren wir von Joan, die um die Unzuverlässigkeit von Erinnerungen weiß und dies zu Beginn auch direkt in die Kamera sagt. Wir begegnen ihr in Dublin, wo sie sich als Au-pair in einen Taschendieb verliebt und viel später, als sie den verzweifelten Bemühungen des sensitiv-überspannten Schriftstellers Tim (Lars Eidinger) letztendlich nachgibt. Immer wieder taucht ihr Sohn Nathan auf, dessen mysteriöse Beziehung zu ihr eine Schlüsselrolle einnimmt. Ein skurriler und interessanter Cocktail aus Genres über das Verarbeiten von Erfahrungen entsteht, wie gewohnt souverän getragen von Isabelle Huppert.
Lars Backhaus


Three Thousand Years Of Longing

  1. September • 1 Std. 48 Min.

Mit „Three Thousand Years of Longing“ (sowie dem bei Mubi zu sehenden „Memoria“) beweist Tilda Swinton einmal mehr, dass es kaum eine vielseitigere Schauspielerin gibt.

In George Millers neuem Film spielen Sie eine Sprachwissenschaftlerin, die von der Magie des Geschichtenerzählens schwärmt. Wie würden Sie selbst diese beschreiben?
Oh, das geht nicht in einem Satz! Geschichten können so vieles. Sie können uns die Welt erklären und beim Überleben helfen. Sie können uns Gesellschaft leisten oder ein Zuhause bieten. Wir können uns selbst in ihnen wiederfinden oder neue Freunde. Je nachdem, wofür eine Geschichte gut ist, besteht ihre Magie in etwas ganz anderem.

Ähnlich wie Sie ist Miller ein Künstler, der für seine besondere Originalität bekannt ist. Spürten Sie eine Art Seelenverwandtschaft?
Das könnte man so sagen. Und das schon, bevor ich überhaupt wusste, wer er ist. Wir lernten uns vor fünf Jahren bei einem Essen in Cannes kennen, wo wir bereits 15 Minuten höchst angeregt in ein Gespräch vertieft waren, bevor mir klar wurde, mit wem ich da eigentlich spreche. Das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, allein, weil wir die Leidenschaft fürs Kino teilen.

Halten Sie die Tage des Kinos für gezählt Filmemacher wie Peter Greenaway oder Jean-Luc Godard behaupten bereits, es sei tot... Nichts gegen Greenaway oder Godard, aber wenn die so etwas sagen, ist das natürlich als Provokation gedacht. Und nicht nur falsch, sondern auch fahrlässig, weil die Presse das sofort aufgreift, und am Ende vielleicht ein Teil des Publikums denkt: Ach, wenn das Kino eh tot ist, dann kann ich auch gleich Netflix gucken. Gegen solch eine Haltung müssen wir ankämpfen.

Sie sind also noch hoffnungsvoll?
Ich habe letztens mal wieder die Autobiografie des Regisseurs Michael Powell gelesen, dessen Karriere parallel zur Geschichte des Kinos verlief. Er beschreibt die Ankunft des Tonfilms als große Katastrophe: Kinos und Studios machten dicht, die Leute verloren ihre Jobs. Aber: das Kino und die Branche entwickelten sich weiter und bald ging es wieder aufwärts. Veränderungen zulassen, aber gleichzeitig dafür kämpfen, dass uns die Magie des Kinos nicht verloren geht – das ist heute wieder angesagt. Nicht zuletzt dank der Regisseure, mit denen ich arbeite, bin ich optimistisch. Leute wie Apichatpong Weerasethakul, Bong Joon-ho, Pedro Almodóvar oder eben George drehen Filme für die große Leinwand, nicht für kleine Bildschirme. Ihre Arbeiten gehören ins Kino, selbst wenn man sie früher oder später auch mal bei einem Streamingdienst sehen kann.

Fazit
Eine Literaturwissenschaftlerin (Swinton) befreit zufällig einen Flaschengeist (Idris Elba) und lässt sich, statt drei Wünsche zu äußern, so lange von seinen Erzählungen über Liebe, Verlangen und Einsamkeit in den Bann ziehen, bis sie sich selbst nach der Liebe sehnt. Halb Kammerspiel, halb Fantasy-Epos voller jahrtausendealter Mythen ist „Three Thousand Years of Longing“, nach einer Geschichte von A.S. Byatt, zwar nicht langweilig und dank der Stars in den Hauptrollen sehenswert, aber doch einigermaßen kitschig.

Patrick Heidmann


Freibad 1.September; 1 Stunde 42 Min

Erfolgsregisseurin Doris Dörrie gibt diesmal die Bademeisterin im gesellschaftlichen Mikrokosmos. In ihrem „Freibad“, zu dem Männer keinen Zutritt haben, steigen mit den Temperaturen die Konflikte unter den Besucherinnen. Vorurteile, Rassismus und Schönheitsideale sind Themen dieser ziemlich klugen und wunderbar vergnüglichen Culture-Clash-Komödie jenseits ausgelatschter Genre-Wege. Ein alteingesessenes Damen-Duo beobachtet mit Misstrauen die neuen Besucherinnen in ihrer Voll-Verschleierung. Eine Schwarze Bademeisterin mit Schweizer Dialekt gibt die Frau mit Nervenzusammenbruch. Die Dame am Grill wiederum ist eine geschäftstüchtige Transfrau. Mit erfrischender Leichtigkeit verbindet sich da vordergründiger Klamauk mit hintersinniger Nachdenklichkeit. Burka-Verbot? Body-Bashing? Altersängste? Da geht’s ganz schön ans Eingemachte. Und zwar mit Zwerchfell statt mit Zeigefinger. Ein Glücksfall fürs Publikum. Und: Mit der schönen Graphic Novel zum Film kann man „Freibad“ sogar mit ins Freibad nehmen!

Dieter Oßwald