Musik

01.07. | Album der Woche

Porcupine Tree • Closure/Continuation

Columbia

01.07. | Album der Woche - Porcupine Tree • Closure/Continuation

Abschluss oder Neuanfang?

Mit Porcupine Tree meldet sich eines der einflussreichsten Prog-Ensembles der letzten Dekaden zurück. Keyboarder Richard Barbieri sieht die Reunion entspannt.

Einst galt die Musik von Prog-Granden wie Genesis, Pink Floyd oder ELP als Soundtrack für Spezialisten. Konzeptalben entblätterten großangelegte Visionen, die Stücke erstreckten sich zuweilen über eine ganze Albumseite. Tiefgründig, das alles, aber irgendwann auch ermüdend. Ein Phänomen wie Punkrock etwa entstand auch aus der Anti-Haltung gegenüber dem oft prätentiösen Expertentum jener Bands. Heute sind die Sex Pistols via TV-Serie selbst ein Fall fürs Museum, der Prog-Sound als solcher ungebrochen populär. Richard Barbieri kennt sich in beiden Bereichen aus. Als Keyboarder der legendären Formation Japan prägte er Ende der 70er Postpunk und New Wave, arbeitete später als Solist und Kollaborateur, bis er in den frühen 90ern zu Porcupine Tree stieß. Multi-Instrumentalist Steven Wilson hatte das Projekt 1987 allein gestartet, nun wurde es zur Band, später folgte Drummer Gavin Harrison. Zu dritt veröffentlichten sie ambitionierte Alben wie "In Absentia" (2002) und "Fear Of A Blank Planet" (2007), bis Wilson sich Richtung Solo-Karriere verabschiedete. Für seine Mitmusiker ein durchaus überraschender Schritt, zumindest, was die Art und Weise angeht.

"Wir wussten eigentlich gar nicht so recht, was los war", erinnert sich Barbieri. "Ich dachte mir, Steven macht allein ein Album, und dann geht es mit Porcupine Tree weiter. Aber die Dinge entwickelten sich anders." In der Tat: Steven Wilson veröffentlichte ein Album nach dem anderen, schwang sich zum Superstar des neubelebten Genres auf. Und während Harrison weiter mit ihm Songs schrieb, konzentrierte sich Barbieri auf seine eigenen Solo- Arbeiten. Ende letzten Jahres verkündete die Band ihre Reunion, jetzt folgt mit "Closure/ Continuation" ein neues Album. Die Tour führt Porcupine Tree in legendäre Venues, darunter die Londoner Royal Albert Hall und die New Yorker Radio City Music Hall. Als Comeback-Beschleuniger erwies sich letztlich die Pandemie. "Ohne Corona hätte sich das alles sicher noch in die Länge gezogen, aber so hatten wir einfach viel Zeit, um die Dinge voranzutreiben", erzählt Barbieri, der von London aus zugeschaltet ist, im Hintergrund ein Teil seiner zahlreichen Tasteninstrumente. Der Albumtitel, Schluss und Fortsetzung, erscheint so treffend wie rätselhaft, auch für Barbieri selbst. "Das ist der perfekte Titel für so eine Platte, wobei wir selbst nicht wissen, wohin die Reise geht. Ist dies so etwas wie ein verspäteter Abschied oder der Anfang von etwas Neuem? Wir werden sehen."

Porcupine Tree
Closure/Continuation

Columbia, 24. Juni

Dass der Draht zwischen Wilson und Harrison nie abriss, die Stücke auf "Closure/Continuation" über einen längeren Zeitraum entstanden sind, ist nicht zu überhören. Blendet man den temporären Split aus, dann ist dies ein neues Porcupine-Tree-Album, dessen Entstehung eben etwas länger, genauer gesagt 13 Jahre, gedauert hat. Stücke wie "Harridan" oder "Walk The Plank" zeigen die Band virtuos wie eh und je, zwischen metallischer Härte und sphärischen Klangteppichen, melancholisch und aufwühlend zugleich.


Foto: Alex Lake

Ingo Scheel