Musik
01.03. | Album der Woche
Idles • Tangk
Partisan · 16. FebruarFoto: Tom Ham
Alles Liebe, Idles
Der rebellische Postpunk der Idles stand bisher nicht in Verdacht, Liebeslieder abzuwerfen. Warum das neue Album voll davon ist, weiß Gitarrist Mark Bowen.
Mark Bowen, in den elf Songs von »Tangk« kommt Ihrem Sänger 29 Mal das Wort Liebe über die Lippen. Wie kam es dazu? Das Album entstand zu einer Zeit, die für uns privat und innerhalb der Band sehr turbulent war. Wir haben uns in unserem Kreativprozess regelrecht dem Unbehagen hingegeben, uns bewusst herausgefordert. Was Joe zu dieser Zeit brauchte, war allerdings das Gegenteil. Er suchte nach Behaglichkeit und fand sie in seiner lyrischen Sprache. Für die Band bedeutete das aber nicht, dass wir ein Donny-Osmond- oder ein Michael-Bolton-Album machen werden.
Dem wirken Sie mit Zeilen wie »No god, no king, I said love is the thing« entgegen, die kaum weniger politisch anmuten als die frühen Idles.
Es sind Mantras, die uns daran erinnern sollen, worauf eine funktionierende Gesellschaft fußt. Der Liebe eigen sind ja nicht nur die romantischen Facetten. Das wäre zu plump. Kein Gott, kein König. Zur Hölle mit diesen Ideen. Das hat sich noch nie ausgezahlt, außer für den König. Liebe hingegen zahlt sich für alle aus.
Sie beschreiben sich und Joe Talbot in jeder Hinsicht als das genaue Gegenteil. Wie wichtig ist diese Reibung zwischen Ihnen?
Sie ist enorm wichtig für den kreativen Prozess. Bei allem anderen ist sie hinderlich und hat auch negative Auswirkungen. Wenn wir nicht synchron laufen in unseren Absichten, die Sprache des anderen nicht verstehen, wird es immer schwierig. Manchmal wundert es mich, wie die Dinge trotz der Spannungen zwischen uns funktionieren. Die Alternative aus zwei Joes oder zwei Marks in der Band wäre aber auch keine Option und eher langweilig.
Neben Kenny Beats sind Sie erneut Co-Produzent des Albums. Warum war darüber hinaus erstmals auch Radiohead-Koryphäe Nigel Godrich dabei? Mal davon abgesehen, dass Radiohead zu meinen Lieblingskünstlern zählen, sollte die Produktion dieses Mal in den Schreibprozess integriert sein. Wir wollten beides gleichzeitig, um uns neue Möglichkeiten zu erarbeiten, nicht nur in unserem Sound, sondern auch in Sachen Songwriting
Ist er der Grund für die unerwartbaren Songs, die mit Postpunk nur noch am Rande zu tun haben? Nicht wirklich. Er hat in unserem experimentellen Streben eher dafür gesorgt, dass wir uns nicht darin verlieren. Je weiter wir uns aus un- serer Komfortzone bewegten, desto wichtiger wurde sein Zuspruch, die Essenz von Idles zu bewahren.
Idles
Tangk
Partisan, 16. Februar
Idles veröffentlichen mit Nigel Godrich im Produzententeam ihr vielseitigstes Werk. Jeder zweite Song bricht mit den bekannten Postpunk-Strukturen der Band. Bemerkenswert gestaltet sich der flirrende Auftakt, »A Gospel« strahlt wiederum als unkonventionelle Pianoballade. Geht es nach Gitarrist Mark Bowen sind das die Verbindungen seiner Band zu Aphex Twin. Geht es nach Emotionen, sind Idles an einem Punkt angekommen, an dem sich völlig neue Möglichkeiten auftun. Es wäre kaum überraschend, wenn sich »Tangk« mit der Zeit als neue Blaupause der Exploration manifestiert.
Daniel Thomas