Vincent Gallo
„Die Revolution kann jede Minute beginnen.“
Zur Person
Vincent Gallo wurde am 11.04.1961 in Buffalo, New York geboren. Ab Ende der 70er trat er in verschiedenen Bands auf und begann als Schauspieler zu arbeiten; das prominenteste Projekt war 1990 Martin Scorseses „Good Fellas“. Zum ersten Mal für Aufsehen sorgte er 1998 mit seinem Regiedebüt „Buffalo 66?“, bei dem er die Hauptrolle übernahm und auch für Buch und Musik verantwortlich zeichnete. Weniger positiv war das Feedback auf seine nächste Regiearbeit, „The Brown Bunny“, das auch wegen seiner Fellatio-Szene zunächst bei der Kritik durchfiel, auch wenn eine gekürzte Version wohlwollendere Rezensionen bekam. Gallo war weiterhin als Musiker tätig, trat in Videos auf und führte selbst bei Clips wie „99 Problems“ von Jay-Z Regie. Darüber hinaus arbeitet er als Fotomodell - unter anderem für Calvin Klein und H&M. Seine letzte große Filmrolle spielte er in Francis Ford Coppolas „Tetro“, der 2009 beim Filmfestival von Cannes Premiere hatte. Für seine Rolle als verschleppter Taliban in „Essential Killing“ erhielt Gallo 2010 den Darstellerpreis der Filmfestspiele von Venedig. Gallo lebt in New York und Los Angeles.
04.09.2009, Venedig, Villa Foscari. „Seien Sie vorsichtig. Vincent Gallo wird fragen, was Sie von ihm wissen wollen,“ warnt die PR-Betreuerin vor dem Gespräch. Aber das ist überflüssig – der Schauspieler, Musiker, Regisseur, Fotograf und Maler mit dem Hang zum Extremen zeigt keine Abwehrhaltung, sondern aufgeschlossene Freundlichkeit. Sein Äußeres – tief in den Höhlen liegende Augen, wirre Haare, dichter Bart – erinnert an einen alttestamentarischen Prediger, und tatsächlich entspinnt Gallo wild verstrickte Gedankengänge; allerdings nicht mit orthodoxem Furor, sondern gesunder Distanziertheit. Zwischendurch bastelt er aus einer Serviette eine abstrakte Skulptur. Im Eifer des Gesprächs durchbricht er jedes Zeitlimit. Als besagte Betreuerin eintritt, um ihn zum Mittagessen zu holen, sprudelt er munter weiter. Denn selbst das Thema ‚Essen’ fördert überraschende Aspekte hervor, wie gleich zu Beginn anhand eines Tellers Beeren klar wird, der auf dem Tisch steht.
Mr. Gallo, Sie sehen so skeptisch auf die Beeren. Wollen Sie keine?
Vincent Gallo: Nein, lieber nicht. Denn ich weiß, wie wirkliche Beeren schmecken. Ich kenne zufälligerweise den Chef des Nahrungsmittelkonzerns Dole. Der hat das größte private Treibhaus auf Erden, wo die frühesten genetischen Varianten aller Früchte angebaut werden – aus 10.000 bis 100.000 Jahre alten Samen. Wenn du da eine Beere isst – das ist völlig unglaublich, überhaupt nicht zu vergleichen. Selbst auf dem Bio-Wochenmarkt bekommen Sie nur abgewandelte Varianten, nichts Ursprüngliches. Aber dort ist es sprichwörtlich wie im Garten Eden – eine so intensive Erfahrung habe ich noch nie gemacht.
Wie viel Zeit verbringen Sie in diesem Garten Eden?
Leider nicht so viel, wie ich es gerne täte. Denn das Problem ist, dass ich den Besitzer nur schwer ertragen kann. Er ist kein schlechter Mensch, aber ein überaus aggressiver Geschäftsmann so in der Art „Ich! Ich habe das geschaffen!“ Wenn ich ihn besuchen will, muss ich einen Schutzwall um mein Herz aufbauen. Normalerweise schaffe ich das ein paar mal pro Jahr.