Jim Rakete
„Fotografie ist der Respekt vor dem Moment.“
Zur Person
Jim Rakete (geboren am 1. Januar 1951 in Berlin) ist Fotograf, Fotojournalist, Filmemacher, Autor und Produzent. Bewusst fotografiert hat er erstmals mit zwölf Jahren, als Willy Brandt am 1. Mai eine Rede in Berlin hielt und Rakete vor Ort auf ein Gerüst kletterte, um mit seiner Praktika-Kamera auszulösen. Bereits fünf Jahre später fotografierte er für Tageszeitungen und Agenturen Musikgrößen wie Jimi Hendrix, Ray Charles oder David Bowie. Zwischen 1977 bis 1987 führte er die Fotoagentur „Fabrik Rakete“ in Berlin Kreuzberg. Außerdem betreute er Künstler wie Nina Hagen, Nena und Die Ärzte als Manager, ehe er sich 1987 vollständig der Fotografie zuwandte. 2018 wurde Rakete für sein Lebenswerk mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Nach vielen Jahren in Hamburg und Los Angeles lebt Rakete inzwischen in Berlin.
17.08.2004, Berlin. Das Interview beginnt beim Verdauungskaffee nach einem Wiener Schnitzel in der Markthalle in Kreuzberg. Nebenbei nimmt Rakete immer wieder seine Pfeife zur Hand. Oder sein klingelndes Mobiltelefon, um andere Gespräche auf später zu vertagen.
Herr Rakete, Sie haben in Ihrer Karriere unzählige Menschen fotografiert, darunter viele bekannte Künstler. Obwohl das glamourös klingt, arbeiten Sie meist ohne großen technischen Aufwand. Welche Philosophie steckt hinter dieser Arbeitsweise?
Jim Rakete: Ich glaube, dass man mit der Fotografie ein Gestaltungselement hat, das es kaum noch gibt: Man kann Dinge in die Unschärfe legen, sie unscharf miterzählen. Das ist für mich ein ganz großes Thema, was allerdings nicht heißt, dass ich immer unscharfe Fotos mache. (lacht) Die Unschärfe von Umgebung oder von einer bestimmten Sichtweise was den Vorder- oder Hintergrund angeht, heißt nicht, dass die Gegenstände, Menschen oder Umstände nicht mehr da sind, sondern nur, dass sie nicht mehr im Fokus liegen. Ich finde es ganz besonders schön, wenn man einen Eindruck vertieft, indem man die Schärfeebene ganz klein hält. Das funktioniert am besten, wenn man körnig und dokumentarisch fotografiert oder wenn man eine alte Plattenkamera nimmt. Da hat man eine Schärfeebene, und davor und dahinter ist es sofort unscharf. Dazu kommt, dass sie beide Parteien zu einer unglaublichen Konzentration zwingt, denn bei Belichtungszeiten von einer Sekunde muss man ganz still halten, sonst verwackelt das ganze Bild. Ich bin ein furchtbar hektischer Mensch und muss die Leute irgendwie dazu kriegen, stillzusitzen. Das ist manchmal unheimlich schwer.
Wie stehen Sie zur digitalen Fotografie?
Ich lehne sie nicht ab, ich habe das natürlich auch mal ausprobiert. In Tageszeitungen beispielsweise funktioniert das gut, aber ich mag die digitale Ästhetik nicht. Für mich sieht das einfach nicht so schön aus.