Jean-Michel Jarre

Jean-Michel Jarre

„Du kannst nicht vor dir selbst weglaufen.“

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03. September 2018, Berlin. Der Pate des Elektropop ist in Berlin auf Promo-Tour und die Zeit ist knapp. „Nur noch eine Frage, dann sind Sie dran“, textet mir seine Assistentin. Vor der Hoteltür warten schon die nächsten Interviewer, im Salon der Hotelsuite baut sich die ARD auf. Unser Gespräch findet im Schlafzimmer statt. „Besser als im Badezimmer“, scherzt Jean-Michel Jarre. Er schließt die Tür und lässt konzentriert und bescheiden 50 Jahre seiner beeindruckenden Karriere Revue passieren. Als er das Vinyl-Cover seines Albums „Équinoxe“ von 1978 in meiner Tasche sieht, lächelt er und zeigt mir auf seinem Smartphone den Coverentwurf für sein nächstes Projekt „Équinoxe Infinity“.

Monsieur Jarre, Sie blicken zurück auf fünf Jahrzehnte elektronische Musik. Wie wurde Ihre Begeisterung dafür entfacht?

Mein Großvater, bei dem ich aufwuchs, schenkte mir sein altes Tonbandgerät mit Aufnahmefunktion und einem Mikrofon. Ich begann sofort, alle möglichen Dinge aufzuzeichnen. Eines Tages spielte ich aus Versehen das Band verkehrt herum ab, und durch dieses Versehen entdeckte ich eine komplett neue Welt. Mir war, als würden Stimmen von einem anderen Planeten zu mir sprechen. Ich begann, mit diesen Verzerrungen herumzuspielen. Als Teenager experimentierten wir dann mit unserer Rockband bei Auftritten in unserer Schule, zum Beispiel, indem wir ein Gitarrensolo aufzeichneten und es dann rückwärts abspulten, während wir die anderen Instrumente live weiterspielten. Mein Zugang zur Musik war also durch und durch geprägt von ihrem Klang und was man mit ihm anstellen kann: mal als organisches, mal als isoliertes und elektronisch verzerrtes Element.

Mit dieser Einstellung kamen Sie dann 1968 nach Paris.

Ja, ich ging dort in die Akademie des Music Resource Centre, wo eine wahrhaftige Aufbruchsstimmung herrschte. Elektronische Musik ist in Europa entstanden: in Deutschland mit Karlheinz Stockhausen, in Frankreich mit Pierre Henri und Pierre Schaeffer, die auch Leiter dieser Akademie waren und die „Musique Concrète“ manifestierten, also eine Form von Musik, die bei der Komposition auch mit aufgenommenen Alltagsgeräuschen arbeitet. Die Musiker, die sich dort versammelten, erhielten ihren Zugang zur Musik weniger durch Noten, sondern in der Hauptsache durch Sound. Ich war überzeugt davon, dass ich es hier mit der Musik der Zukunft zu tun hatte. Dass wir auf der Schwelle zu einer neuen Ära stehen, in der Musik vorwiegend oder ausschließlich so produziert werden würde. Und ich hatte recht, wie die vorherrschende Kompositionsweise im 21. Jahrhundert zeigt. Außerdem befanden wir uns 1968 inmitten der Studentenbewegung. Elektronische Musik war also ein hervorragendes Mittel, um gegen das Establishment klassischer Musik zu rebellieren und ihm etwas Neues entgegenzusetzen.

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