Ille C. Gebeshuber
„Der Dschungel ist wie ein Lehrmeister.“
Zur Person
Ille C. Gebeshuber wurde 1969 im österreichischen Bruck an der Mur geboren. Sie studierte Technische Physik an der TU Wien und promovierte 2008 in Experimentalphysik über nanotechnologische Oberflächen. Von 2006 bis 2009 war sie Leiterin der Strategischen Forschung am Kompetenzzentrum für Tribologie in der Wiener Neustadt. Anschließend war sie sieben Jahre Professorin für Microengineering und Nanoelectronics in Malaysia. Seit 2016 ist Ille Gebeshuber wieder Professorin am Institut für Angewandte Physik der TU Wien und engagiert sich darüber hinaus in der Vermittlung von Wissenschaft, etwa in der Kinderuni Steyr. Sie ist verheiratet und lebt in Wien und Villach.
19.01.2017, Wien. Ille C. Gebeshuber, eine der weltweit führenden Wissenschaftlerinnen auf dem Gebiet der Bionik und Nanotechnologie, ist gerade in ihrem Büro an der TU Wien angekommen und nimmt sich viel Zeit für das anschließende Telefongespräch. Dabei entführt sie den Interviewer in bisher ungeahnte, neue Welten, in denen wir etwa unsere Gegenstände des täglichen Lebens ganz natürlich wachsen lassen könnten. Sehr engagiert und kenntnisreich gibt sie einen Ausblick, wie zukünftig ein umweltbewusstes Leben möglich sein könnte – wenn wir es denn wollen.
Frau Gebeshuber, Sie sind Professorin für Physik und Spezialistin auf dem Gebiet der Bionik und Nanotechnologie. Gibt es eine Technik aus Ihrem Forschungsgebiet, die im Alltag angewandt wird?
Ohne nun zu sagen, dass mir das gefällt, helfen Verfahren aus der Bionik dabei, Hauswände gegen Graffiti zu schützen. Diese Oberflächen besitzen eine besondere Beschichtung, auf der die Farbstoffpigmente nicht haften bleiben. Oft sind diese Wände gar nicht zu besprühen, spätestens beim nächsten Regenschauer lässt sich die Farbe sehr einfach abwaschen.
Ein wichtiger Ideengeber für die Bionik ist die Natur. Welches Beispiel aus der Forschung finden Sie besonders eindrucksvoll?
Die Geschichte des Klettverschlusses an unserer Kleidung. Die Story geht so: Der Schweizer Ingenieur Georges de Mestral ging gerne mit seinem Hund Gassi, ärgerte sich aber stets darüber, dass sich im Fell des Hundes die Samen der sogenannten Klettenpflanze verfingen. Daraufhin hat er sich diese Kletten einmal genauer unter einem Mikroskop angeschaut und festgestellt, dass sie sich mittels kleinster Haken an dem Hundefell befestigen. Er hat das Verfahren patentiert und ist damit reich geworden. Recht bekannt ist auch die Eigenschaft der Lotuspflanze, deren Oberfläche sich selbst reinigen kann, weil Schmutz und Wasser einfach an ihr abperlen. Man dachte zuerst, die Oberfläche müsste sehr glatt sein. Unter dem Mikroskop stellte sich dann jedoch heraus, dass winzige Kristalle den Blättern eine raue Struktur geben. Diese vielen kleinen Noppen sorgen nun dafür, dass Schmutzpartikel und Wassertropfen fast gar nicht in Kontakt mit dem Blatt kommen. Sie können daher nicht haften, die Wassertropfen perlen ab und spülen den Schmutz weg. Heute wird dieses Prinzip etwa bei Glasoberflächen an Gebäuden angewandt.