Musik

Roosevelt

Roosevelt

City Slang / Universal · 19. August

Sie geschehen noch, die kleinen Wunder im Pop-Universum: Da bastelt ein talentierter Twen aus einer Kleinstadt am Niederrhein ein paar Tracks, stellt sie spaßeshalber ins Netz, und wird 10 Millionen Klicks später als hoffnungsvollster Newcomer der deutschen Musikszene gefeiert. Ohne Agentur im Rücken, ohne Presseverteiler und ohne fertiges Album. Das ganz und gar staunenswerte Debüt von Roosevelt (eigentlich Marius Lauber) liefert dem längst auf die internationalen Dancefloors geschwappten Hype neues Futter: Mit seinem selbstbetitelten Album gelingt ihm ein zeitloses und durchweg stilsicheres Bravourstück zwischen Disco, House und Trance, im hellwachen Bewusstsein seiner Vorläufer (beginnend mit Chic bis hin zu LCD Soundsystem, International Pony oder Von Spar), ohne sich je nostalgisch in Pose zu werfen oder in Experimente zu vergaloppieren. Hypnotisch, psychedelisch, mit traumwandlerischer Sicherheit drängt Roosevelts verhallte Stimme euphorisch durch die Songs, zielsicher geradeaus, getragen vom warmen Aufwind relaxter, zugleich unaufhaltsamer Beats, umgeben von komplexen Soundwelten so weit die Ohren reichen. Die Favoriten der Netzgemeinde – „Sea“, „Hold On“ und „Night Moves“ – überragen die neueren Stücke nicht, sondern fügen sich nahtlos in ein stimmiges, gefühlt unendliches Ganzes ein. Wie ist das möglich? Steckt da ein raffinierter Algorithmus dahinter? Oder eine geniale digitale Sound-Engine? Weit gefehlt, kein Beat kommt aus der Konserve. Der frühere Techno-DJ schwört auf analoge Instrumente. Sowohl sein Lieblingsinstrument, das Schlagzeug, als auch weitgehend Synthie, Bass und Gitarre werden von ihm selbst eingespielt. Eine womöglich wegweisende Basis für die tanzbare Musik des 21. Jahrhunderts. Ganz sicher aber jetzt schon ein absoluter Glücksfall der Popgeschichte.

Hendrik Heisterberg