Literatur

Hörbuchvorstellungen der Woche

Bernhard Schlink • Fernando Aramburu • John Higgs

Bernhard Schlink • Olga

Diogenes • 12. Januar

Bernhard Schlink OlgaIn der Verfilmung von Bernhard Schlinks Weltbestseller „Der Vorleser“ musste Burghart Klaußner sich mit einer kleinen Nebenrolle zufrieden geben. Für das Hörbuch zum neuen Roman wurde der deutsche Schauspieler nun selbst zum Vorleser und erzählt Olgas Lebensgeschichte. Schlink spannt in seinem neusten Roman einen weiten Bogen und erzählt das Schicksal einer willensstarken Frau zu Beginn des 20. Jahrhunderts. „Olga“ ist Liebesgeschichte, Biografie mit Zeitgeschichte und Drama zugleich. Durch die Gliederung des Romans in drei Teile erschafft Schlink eine nachvollziehbare Struktur, die ihm außerdem außergewöhnliche Erzählperspektiven erlaubt. So besteht der letzte Abschnitt des Buches ausschließlich aus Briefen von Olga an ihren liebsten Herbert, womit dem Leser plötzlich ein tiefer und ehrlicher Einblick in ihre Gefühlswelt gewährt wird. Mit Klaußner wurde der perfekte Sprecher für diesen Roman gefunden, schafft er es mühelos mit seiner beruhigenden, aber nie gelangweilten Stimme für jeden der drei Teile die passende Intonation zu finden.

Katharina Raskob


Fernando Aramburu • Patria

Argon • 16. Januar

Aramboru PatriaAuch wenn die ETA, die „Euskadi Ta Askatasuna“, 2011 einen Waffenstillstand und ein Jahr später ihren Unabhängigkeitskampf offiziell für beendet erklärt hat, durch literarische Aufarbeitungen wie denen von Fernando Aramburu wird deutlich, welche Narben der seit 1959 andauernde Kampf für ein autonomes Baskenland im kollektiven Bewusstsein hinterlassen hat. „Patria“ ist die Geschichte zweier befreundeter Familien, die durch einen Anschlag zu verbitterten Rivalen geworden sind. Aramburus Fokus liegt auf der Frage, ob und wie man sich in Folge dieser Ausnahmesituation wieder annähern kann. Kann es eine Aussöhnung zwischen Opfern und Tätern geben, wenn sich letztendlich alle in ihrem Selbstverständnis als Opfer sehen? Dabei gelingt es dem Wahl-Hannoveraner, aus dem Privaten das Politische zu entspinnen, gleichsam ein Familien-Drama wie Politchronik. Eva Mattes trägt den Roman binnen der fünfzehn Stunden Laufzeit mit einer stimmlichen Mixtur aus Zerbrechlichkeit und Distanz vor, die die Tonalität des Romans äußerst gelungen aufgreift.

Jonas Grabosch


John Higgs • Einstein, Freud& Sgt. Peppers

DAV • 12. Januar

John Higgs Einstein Freud Sgt PepperWas lässt sich über dieses wirre, zerfaserte und sich ständig beschleunigende 20. Jahrhundert sagen? Jede Menge, findet der Brite John Higgs, der sich selbst als Kartograph einer zerklüfteten Landschaft zeichnet. Wie jeder Historiker, trifft er eine Auswahl und hangelt sich gekonnt vom Individualismus zum Nihilismus, vom Sex zum Chaos, nimmt Anlauf in der Moderne und landet in der Postmoderne. Er hält den Finger an den, gerade versiegenden Puls des letzten Jahrhunderts. So können nicht nur frischgebackene Geisteswissenschaftler bekannte Theoretiker und Zeitabschnitte mit diesem Hörbuch neu entdecken, Higgs hält für jeden erhellende Momente zur jüngsten Geschichte bereit. Er spannt den Bogen weit, von der Relativitätstheorie bis hin zum Science-Fiction, spickt Erklärungen mit Anekdoten und schafft so einen, für ein vertontes Sachbuch, immensen Unterhaltungswert. Dazu trägt nicht nur sein natürlicher Erzählstil bei, sondern auch Frank Arnolds Stimme, deren Timbre das verworrene 20. Jahrhundert fast zu einer Abenteuergeschichte werden lässt.

Marina Mucha