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19.06. I Die dunkelste Stunde

DIE DUNKELSTE STUNDE

Universal • 24. Mai

Blut, Schweiß und Oscar

Schon viele Schauspieler haben den legendären britischen Politiker Winston Churchill verkörpert, doch niemand hat sich – auch dank eines großartigen Maskenbildners – so sehr in ihn verwandelt wie Gary Oldman in „Die dunkelste Stunde“ von Joe Wright. Dafür gewann der Brite kürzlich seinen ersten Oscar – und stand uns Rede und Antwort.

DiedunkelsteStundeMr. Oldman, Sie sehen Winston Churchill kein bisschen ähnlich. Haben Sie gestutzt, als man Ihnen die Rolle in „Die dunkelste Stunde“ angeboten hat?

Das habe ich, in der Tat. Es war nicht das erste Mal, dass man mich fragte, ob ich Churchill spielen will, und ich habe immer abgelehnt. Nicht nur, weil ich mich im wahrsten Sinne des Wortes in dieser Rolle nicht gesehen habe. Sondern, weil er natürlich eine überlebensgroße Ikone ist, für ewig und drei Tage mythologisiert. Entsprechend wurde er auch schon von vielen meiner Kollegen gespielt. Es war also klar, dass ich nicht nur in die Fußstapfen von Churchill selbst, sondern auch in die von Robert Hardy, Albert Finney und Richard Burton steigen würde. Ist doch klar, dass man da zumindest einen Moment lang zögert.

Abhalten konnten Sie diese Bedenken aber offensichtlich nicht.

Nun, mit der Schwierigkeit, dass man mich mit legendären Kollegen vergleicht, kenne ich mich spätestens seit „Dame, König, As, Spion“ aus. Da saß mir der Geist von Alec Guinness im Nacken. Viel wichtiger war, dass ich alle diese äußeren Faktoren weggeschoben und mir mal wirklich die konkrete Rolle angesehen habe. Und siehe da: Ich entdeckte im Drehbuch Aspekte der Persönlichkeit Churchills, die ich so noch nie irgendwo anders gesehen hatte. Das fand ich spannend, ebenso natürlich die Aussicht auf eine Zusammenarbeit mit Joe Wright. Außerdem wäre man doch als Schauspieler blöd, wenn man sich die Chance entgehen lassen würde, diese legendäre Rede von Blut, Schweiß und Tränen halten zu dürfen.

Sie haben durch „Die dunkelste Stunde“ also wirklich noch etwas völlig Neues über Churchill lernen können?

Natürlich wusste ich auch vor dem Film schon viel über ihn. Der Mann ist schließlich einer der bekanntesten Briten aller Zeiten. Aber ich würde doch sagen, dass ich zumindest eine neue Wertschätzung für ihn und seine Leistung gewonnen habe. Nicht, dass man Mitleid haben müsste mit Churchill, schließlich wollte er nichts im Leben mehr als diesen Posten des Premierministers. Doch dann plötzlich tatsächlich vor dem König zu stehen und die Verantwortung für eine ganze Armee zu übernehmen, die unmittelbar davor steht, von den Nazis dem Erdboden gleichgemacht zu werden – das ist eben doch kein Traumjob. Zumal ja die Innenpolitik und die erbitterten Widerstände im eigenen Kabinett nicht plötzlich innehalten, nur weil die Zukunft Europas auf dem Spiel steht. Wie er diese Situation nicht nur ausgehalten, sondern erfolgreich gemeistert hat, dafür zolle ich ihm nach der intensiven Auseinandersetzung mit ihm nochmal ganz neuen Respekt.

Ist der Film mehr als eine richtig gut gemachte Geschichtsstunde?

Es ist jedem selbst überlassen, welche Schlüsse er aus den Ereignissen des Jahres 1940 zieht und was man von einem Politiker wie Churchill vielleicht für unsere heutige Zeit lernen kann. Ich bin mir sicher, dass sich da einiges finden lässt. Gleichzeitig spricht aber meiner Meinung nach auch gar nichts gegen eine gut gemachte Geschichtsstunde. Denn wie wir schon bei den ersten Testvorführungen des Films feststellen mussten: nicht nur in den USA, sondern selbst bei uns in Großbritannien ist das Wissen über Churchill heutzutage überschaubar, vor allem natürlich bei jüngeren Zuschauern. Selbst ich, der dank Eltern, die den Zweiten Weltkrieg noch erlebt haben, und einem Vater bei der Royal Navy mit dieser Zeit gut vertraut ist, wusste nicht alle Details. Dass wir Briten so unglaublich kurz davor standen, uns Hitler zu ergeben und das als Friedensvertrag zu verkaufen, ist mir erst dank des Films klar.

Nochmal zurück zum Anfang, denn Sie sind als Churchill ja wirklich nicht wiederzuerkennen. Welche Auswirkungen hatte diese Maske auf Sie als Schauspieler?

Es ist schon erstaunlich, wozu Maskenbildner in der Lage sind. Ich musste nicht einmal zunehmen für die Rolle, das war bloß ein gepolsterter Anzug – und Latex im Gesicht. Auf mein eigentliches Spiel hatte all das Zeug in meinem Gesicht und all die Polsterung, die mich dick aussehen ließ, allerdings nicht den geringsten Einfluss. **

Interview: Patrick Heidmann**