DVD & Blu-ray

DVD der Woche

Auf der Suche nach dem Gedächtnis – Der Hirnforscher Eric Kandel

W-Film · 18. August

Gedächtnis Was geschieht im Gehirn, wenn wir etwas abspeichern, um uns erinnern zu können? Eric Kandel forscht dazu. „Auf der Suche nach dem Gedächtnis“ ist die Begegnung mit einem Genie.

Die Meeresschnecke Aplysia kann Exemplare hervorbringen, die etwa so groß werden können wie ein ausgewachsenes Kaninchen. Damit zählt sie zu den größten Schnecken der Welt - und groß sind auch ihre Neuronen, also ihre Nervenzellen. Sogar mit bloßem Auge betrachtbar. Und auf eben diese Neuronen haben es Wissenschaftler, die auf diesem Gebiet forschen, abgesehen. Die Aplysia ist, wie Forscher schreiben, „ein idealer Versuchsorganismus zum Studium der zellulären und molekularen Grundlagen des Lernens.“ Auch der Nobelpreisträger Eric Kandel untersuchte an den Synapsen der Aplysia unter anderem das Lernen auf zellulärer Ebene. Einer seiner zentralen Fragen lautet: Was geht in unseren Hirnzellen vor, wenn wir Gedächtnisinhalte speichern? Kandel und seine Kollegen fanden außerdem heraus, wie aus dem Kurzzeitgedächtnis das Langzeitgedächtnis hervorgeht. Ihrer Beobachtung nach bilden die Nervenzellen zusätzliche Synapsen aus. Eric Kandel ist einer der bedeutendsten Hirnforscher unserer Zeit, der seit über 50 Jahren sozusagen auf der Suche nach dem Gedächtnis ist. Und Beachtliches geleistet hat. 1963 konnte er nachweisen, dass Nervenzellen „lernen“ können – damals bahnbrechend. Den Nobelpreis für Medizin bekam Kandel im Jahr 2000 verliehen. „Mit seiner Pionierarbeit hat er die wesentlichen Prinzipien des Gedächtnisses erhellt“, schrieb der 2015 verstorbene Oliver Sacks, ein britischer Neurologe. Wie aber tickt Kandel selbst, wie als Forscher, wie als Mensch? Filmemacherin Petra Seeger geht dieser Frage in ihrer eindrucksvollen Dokumentation nach und verwebt Kandels Biografie meisterhaft mit dessen Forschungsarbeiten, auch den aktuellen. Kandel leistet vor laufender Kamera Erinnerungsarbeit, indem er unter anderem zurückblickt auf seine traumatischen Kindheitserlebnisse in Wien während der NS-Zeit. 1929 geboren floh er mit neun Jahren nach Amerika, zunächst nur zusammen mit seinem Bruder, später kamen die Eltern nach. Doch wie dunkel auch die Erinnerungen sind, Kandel, bekannt für sein lautes Lachen, verliert nie seinen Humor. Er entwischt allen klassischen Vorstellungen, die man gemeinhin über Wissenschaftler hat. Kein Wunder, dass ihn das Magazin „Bild der Wissenschaft“ als „Rockstar der Neurowissenschaften“ bezeichnete. Seine Arbeiten sind auch eine Studie über wissenschaftlichen Optimismus. Kandel ist zuversichtlich, dass etwa für Alzheimer Therapien entwickelt werden können.

Fazit:
Beim Stichwort Neuronen gehen bei manchen die Lichter gleich wieder aus: Komme mir bloß keiner mit trockenen Lehrfilmen. Petra Seeger zeigt in ihrer Dokumentation hingegen, wie lebendig Biologie sein kann und wie aufregend das Leben eines Wissenschaftlers. Über Eric Kandel lernen wir außerdem, uns selbst besser zu verstehen. Kompliziert sind höchstens die anderen.

Sylvie-Sophie Schindler