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DVD der Woche

American Gods - Staffel 1

Studiocanal · 27. Juli

Höhere Wesen auf kleinem Bildschirm in epischer Länge – Die Adaption von Neil Gaimans Romans „American Gods“ macht alte Götter zum medialen Kult.

Sie ist der Anfang und das Ende allen Glaubens: Die Serie „American Gods“ wartet auf mit einem Haufen Götter, die alles andere als amerikanisch sind. Aber irgendwann, irgendwo hat man dem einen oder der anderen gehuldigt, dem Westslawen Chernobog ebenso wie der weißrussischen Zorja. Man hat die Fruchtbarkeit der Königin von Saba beschworen und auf die Tricks des afrikanischen Gottes Anansi gesetzt. Man betete, opferte und vergaß. Ein paar der zäheren Götter konnten sich mit letzter Kraft in die nächste Religion retten, als christliches Fest oder als Wochentag. Mr. Wednesday ist so einer. Kaum jemand ahnt heutzutage noch, dass sich dahinter Göttervater Wotan/Odin aus der nordischen Mythologie verbirgt. Dem alten Kauz kommt das gerade recht, hegt er doch einen düsteren Plan: Mr. Wednesday will den neuen amerikanischen Göttern den Kampf ansagen – Krieg gegen die glamourösen Götzen aus Medien, Technologie und Globalisierung.
Nach dem großen Finale in der achten Folge ist sich auch der zutiefst atheistische Zuschauer nicht ganz sicher, ob der Serienhype in den letzten Jahren nicht womöglich von einer mysteriösen Macht losgetreten wurde. Nur um jetzt - auf dem Höhepunkt der medialen Sinnfindung durch exzessives Binge watching - die Jünger vorm Bildschirm mit „American Gods“ erst in ekstatische Verzückung und dann in die totale Abhängigkeit zu stürzen. Neil Gaiman, der 2001 die gleichnamige Romanvorlage geschrieben hat, wäre dann also sowas wie ein Evangelist. Ein perfekt ausgesuchter zudem, denn so ziemlich all seinen Werken, sei es Comic (u.a. „Sandman“), Roman (etwa „Anansi Boys“) oder Drehbuch („Beowulf“) haftet etwas Religiöses an. Um Missverständnissen vorzubeugen: Gaiman ist Religion eigenem Bekunden nach völlig wurscht. Was er lustigerweise mit Mr. Wednesday gemeinsam hat und wiederum wie die Faust aufs Auge in Ian McShanes verwegen verwittertes Gesicht passt. Göttliche Ignoranz ziert aber auch Gillian Andersons Antlitz, dem man in jeder Darreichungsform verfällt, sei es Lucille Ball, Marilyn Monroe oder David Bowie. Auf beiden Seiten wird also schweres Geschütz aufgefahren, ideologisch, moralisch und optisch. Der Mensch, personifiziert durch Ricky Whittle als Wednesdays ungläubiger Bodyguard, dient da lediglich als willkommener Spielball. Schlichtweg so, wie bei einer handelsüblichen Weltanschauung eben auch. Nur spannender, bunter und Gott sei Dank skeptischer.

Fazit
Die erste Staffel von „American Gods“ setzt völlig neue Maßstäbe auf dem Serien-Sektor. Form und Inhalt verschmelzen zu einer Einheit. Es geht nicht nur um Sinn, Gewalt und Erotik von Religionen, die Serie ist philosophisch, blutig und sexy - bis hin zur überzeugenden Besetzung mit Ian McShane („Deadwood“), Gillian Anderson („The Fall“) und Ricky Whittle („The 100“).

Edda Bauer