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DVD der Woche

Charité

Universum, 21.04.2017

Können wir schon lange, was die Amis können? Eine Serie über ein Krankenhaus aus der gar nicht so guten alten Zeit tritt den Versuch an.

Das New Yorker Knickerbocker Hospital kennt sicherlich niemand. Mitte des vorletzten Jahrhunderts in Blüte, steht es im Zentrum der amerikanischen TV-Serie „The Knick“, die von Steven Soderbergh („Oceans Eleven“) geleitet wird und mit Clive Owen nicht weniger prominent besetzt ist. Klingt gut, ist erfolgreich. Wenn man dem öffentlich-rechtlichen Flurfunk trauen darf, dann hatten die Drehbuchautorinnen Dorothee Schön und Sabine Thor-Wiedemann bereits Anfang des Jahrzehnts die Idee zu einer ganz ähnlichen Serie – in einer Zeit also, als auch das 2014 auf die Welt gebrachte Pay-TV-Format noch in der Planung war. Wunder dauern hierzulande eben länger – und sind dann auch ein wenig kürzer. Während bei den gänzlich fiktiven US-Abenteuern um die Entwicklung lebensverlängernder Behandlungsmethoden im Zeitalter der schmutzigen Krankenhausflure auch nach der zweiten Staffel noch kein Ende in Sicht ist, ist das deutsche Pendant gerade einmal sechs Teile á 45 Minuten lang. Dabei schlummert hier doch so viel Potential. Das Krankenhaus in Harlem ist dem wohl berühmtesten in Deutschland, der Berliner Charité, gewichen. Gegen was musste man dort, Ende des 19. Jahrhunderts, nicht alles kämpfen: Hunger, Schmutz, soziale Ungerechtigkeit, Ungleichstellung der Frau – und all die anderen, viel winzigeren, aber nicht minder tödlichen Geißeln der Menschheit, nämlich die bakteriellen Volksseuchen Tuberkulose und Diphtherie. Drei mehr oder minder an die Öffentlichkeit drängende Heroen sind in der Forschungsstätte angetreten, um gegen das Übel anzukämpfen: Robert Koch, Emil von Behring und Paul Ehrlich. Da das zunächst einmal recht akademisch klingt und zu jedem Stethoskop im Mehrteiler auch ein wenig Human Interest gehört, darf das weibliche Geschlecht nicht fehlen. So haben die Autorinnen das US-amerikanische Soap-System adaptiert und den drei realen Männerfiguren mindestens zwei fiktive Frauenfiguren an die Seite gestellt. Die freigeistige Arzttochter Ida Lenze (Alicia von Ritterberg) steht dann auch gleich im Zentrum der Geschichte. Sie sorgt für weibliches Rebellentum und das emotionale Korrektiv zum ehrgeizigen Militärarzt Bering (Matthias Koeberlin). Man hätte Sönke Wortmann in der Tat noch mehr Zeit gewünscht, all die Charaktere, die Konflikte und das epische Liebesmoment auszuspielen. So ist das dieses Forschermelodram nicht nur schön anzusehen, sondern auch viel zu schnell vorbei.

Unser Fazit: Erfolgsregisseur Sönke Wortmann führt dem Publikum auf konventionelle Art vor Augen, wie schmutzig das Geschäft in hehren alten Krankenhaussälen einst war – und zwar trotz all der weißen Diakonissinnen-Häubchen und der aufopferungsvoll für das Leben der Patienten kämpfenden Jungforscher. Nicht zuletzt wegen der Riege beliebter TV-Darsteller funktioniert’s!

Jörg Gerle

Foto: © ARD/Nik Konietzny