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DVD der Woche

Inferno

Sony, 23.02.2017

An den Verfilmungen der Romane Dan Browns scheiden sich die Geister. Während die Kinosäle gefüllt sind, mäkeln die Feuilleton-Kritiker, so auch bei „Inferno“. Warum eigentlich? Denn auf gewisse Weise sprengen diese Filme die Grenzen ihres Mediums. Das scheint auch den Schauspielern zu dämmern, die sich mit umso größerem Engagement in dieses Projekt stürzten.

Es mag leicht sein, sich über „Inferno“ zu echauffieren. Der erste Grund trägt den Namen Dan Brown. Dieser ist bekanntlich ein Meister darin, pseudohistorisches Garn – von Jesus’ Kindern bis zum Heiligen Gral – zu mitunter kruden aber den Zeitgeist bedienenden Verschwörungsthrillern zu spinnen. Resultat dessen sind geharnischte Kritiken und gleichzeitig die vorderen Ränge der weltweiten Bestsellerlisten sowie eine treue Lesergemeinde. Dieses kommerzielle Potenzial sicherten sich zwei Oscargewinner: Regisseur Ron Howard („Apollo 13“) und Tom Hanks, die 2006 „Der Davinci Code. Sakrileg“ in die Kinos brachten. Auch hier war das Resultat gespalten: über 750 Millionen US-Dollar als Einspielergebnis und einhellige Entsetzensschreie der Kritiker. Dessen ungeachtet zog es Howard und Hanks 2009 für die nächste Brown-Verfilmung „Illuminati“ nach Rom, auch wenn es dafür nur noch rund 485 Millionen US-Dollar am Box-Office gab. 2015 folgte der nächste Trip – diesmal unter anderem nach Florenz, Venedig und Istanbul, um Dan Browns „Inferno“ zu bebildern.

Wie schon seine Vorgänger ist der Film, der im Herbst 2016 in die Kinos kam, nach dem Prinzip der Schnitzeljagd konstruiert: Symbolikprofessor Robert Langdon (Hanks) löst an pittoresken Orten historische Rätsel und deckt so den sinistren Plan eines größenwahnsinnigen Biochemikers auf. So weit, so geradlinig - allerdings gelingt Howard und seinem Team hier der überzeugendste Spannungsbogen der drei Brown-Adaptionen. Und das Personal der Verfilmung tut sein Bestes, um alle Zweifler gewogen zu stimmen. Allen voran die Engländerin Felicity Jones, die bei ihren Projekten der letzten Jahre zumeist treffsicheren Geschmack bewies, von „Die Entdeckung der Unendlichkeit“, für die sie eine Oscar-Nominierung bekam, oder „Rogue One“. Sie nahm die Rolle der Ärztin Sienna, die Protagonist Langdon auf seiner Odyssee unterstützt, auf jeden Fall ernst: „Ich habe wirklich versucht, Sienna zu verstehen. Um ihre Hintergrundgeschichte zu kennen, habe ich den Roman mehrfach gelesen. Ich habe mich mit Ron Howard ausführlich unterhalten, habe mit Tom geprobt und mich mit Drehbuchautor David Koepp ausgetauscht. Allein das hat drei bis vier Monate in Anspruch genommen. Ich liebte die realen Schauplätze. Wenn du mal fünf Monate in einem Studio gearbeitet hast, dann schätzt du es, wenn du an diesen unglaublichen Orten herumlaufen kannst. Das gibt dem Ganzen ein Gefühl von Spontaneität und Abenteuer, das du im Studio nicht einfangen kannst. Für mich war es eine geradezu magische Erfahrung, in den Uffizien zu drehen und mir zwischen den einzelnen Einstellungen die Botticelli-Gemälde anzusehen.“

Hauptdarsteller Tom Hanks pflichtet ihr bei: „Für diese Filme haben wir einen faszinierenden Ort nach dem anderen besucht – und zwar in echt. Bei ‚Inferno’ waren wir unter anderem auf dem Dach des Markusdoms in Venedig. Bessere Szenenbilder gibt es nicht.“ Und dies mag der entscheidende Hinweis sein, dieser Filmtrilogie einen gänzlich anderen Aspekt abzugewinnen: In gewisser Weise sind sie Hochglanz-Reiseberichte mit dramatischen Einsprengseln. Und zu Zeiten, in denen sich das Kino in virtuellen Welten verliert, ist das bemerkenswert. Statt Flugtickets reicht eine Kinokarte. Und wie ein Reiseführer streut „Inferno“ überdies kulturgeschichtliche Informationen ein. Welcher Mainstream-Film kann schon von sich behaupten, seinem Publikum auf einer zugegeben sehr basalen Ebene das Schaffen von Dante Alighieri oder Giorgi Vasari zu vermitteln? Oder den Standort eines berühmten Dogen-Grabs? In Rom pilgern immer noch Fans zu verschiedenen Bernini-Skulpturen, die sie aus „Illuminati“ kennen. Diese Wissensschnipsel werden nicht dröge aneinandergereiht, sondern bilden ein „Puzzle“, wie es Hanks formuliert, das der Zuschauer gemeinsam mit den Protagonisten zusammenfügt. „Das ist beinah ein interaktives Erlebnis,“ so der Hauptdarsteller. Statt sich also darüber zu mokieren, sollte die bildungsbürgerliche Kritik dringend neuen Nachschub fordern. Rüdiger Sturm

Fazit: Handwerklich gelungener als ihre Vorgänger, bietet die dritte Dan Brown-Adaption die gewohnte Schnitzeljagd und Kulturgeschichte light. Nebenher gibt es noch eine Dosis Biochemie – ein geradezu avantgardistischer Mix. Damit ist „Inferno“ nicht einfach ein Film, sondern ein Bildungsvehikel für das Instagram- und Twitter-Zeitalter.