Literatur

Buch der Woche

Sabrina Janesch - Die Goldene Stadt

Rowohlt / Berlin · 18. August

Janesch Hiram Bingham gilt als Entdecker von Machu Picchu. Doch ein deutscher Auswanderer kam ihm zuvor. Sabrina Janesch hat einen Roman über dessen abenteuerliches Leben geschrieben.

Dass Geschichte meist von Siegern geschrieben wird, wusste schon Winston Churchill. So auch im Fall der Entdeckung der legendären Inkastadt Machu Picchu, die im 15. Jahrhundert wie von Zauberhand in einen 2400 Meter hohen Bergrücken in den Anden nahe der peruanischen Stadt Cusco gebaut wurde. Lange Zeit wurde die Entdeckung dem berühmten amerikanischen Archäologen Hiram Bingham zugeschrieben, der die Bergstadt 1911 vorfand. Erst vor wenigen Jahren kamen Hinweise auf, dass die Geschichte jener Entdeckung neu geschrieben werden muss. Wie historische Dokumente belegen, soll der Rheinländer Rudolph August Berns Machu Picchu schon fast vierzig Jahre früher entdeckt haben. Doch wer war dieser Mann aus dem fernen Deutschland? Die deutsch-polnische Schriftstellerin Sabrina Janesch nahm sich diesem Mysterium an und rekonstruierte in akribischer Recherche die Lebensgeschichte des Mannes, von dem noch nicht einmal ein Foto existiert. Dieses biografische Fundament ist gleichzeitig auch das Sujet ihres neuen Abenteuerromans „Die goldene Stadt“, in dem sie der Frage nachgeht, wie der aus einfachen Verhältnissen stammende Mann aus dem beschaulichen Solingen zu einer Entdecker-Persönlichkeit heranwachsen konnte. Schon als Kind findet Berns in den Erzählungen um die sagenumwobene Inkastadt Eldorado, die die letzten großen Goldschätze der Inkas beherbergen soll, das Abenteuer seines Lebens. Der Wunsch nach Ruhm und Anerkennung durch den möglichen Fund der goldenen Stadt, manifestiert sich so sehr in ihm, dass er kurzerhand vor dem preußischen Militärdienst flieht und sich mit dem Schiff nach Peru aufmacht. Endlich angekommen, wird er zunächst in kriegerische Schamützel verstrickt, heuert dann beim Eisenbahnbau als Ingenieur an und begibt sich daraufhin dank seines Ersparten auf eine zweijährige Expedition. Nach vielen Rückschlägen findet er tatsächlich eine große Inkastadt, Machu Picchu, muss seine Reise jedoch aus Mangel an Geld abbrechen. Er flieht nach New York, anschließend nach Panama und kehrt schließlich nochmal nach Peru zurück, um Machu Picchu endlich zu erkunden. Doch wie kommt es, dass er letztendlich nicht zum Helden, sondern von der Geschichte wieder verschluckt wird?

Janesch ist mit diesem Buch ein großer Wurf geglückt. Ihr gelingt es, ein eindrucksvolles und lebendiges Bild eines Mannes zu zeichnen, der bislang nicht mehr als ein Phantom war. Mit großer Erzählkraft und dem richtigen Gespür für historische Details und der Topografie des Landes, spannt die zuletzt mit dem Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis ausgezeichnete Autorin, eine fesselnde Geschichte um einen Abenteurer, der stets auf der Suche nach sich selbst ist und schlussendlich keinen Ausweg mehr aus dem Strudel seiner Träume findet. „Die Goldene Stadt“ wird so selbst zu einem faszinierenden (Lese-)Abenteuer, das die Spannung bis zur letzten Seite aufrechterhalten kann.

Björn Eenboom, Foto: Frank Zauritz