Literatur

Buch der Woche

Graham Swift - Ein Festtag

Deutscher Taschenbuch Verlag · 5. Mai

„Wie soll man ein Jemand werden, wenn man nicht erst ein Niemand war?“, wird Jane Fairchild in späteren Interviews – als sie längst eine gefeierte Schriftstellerin und kein naives Dienstmädchen mehr ist – fragen, wenn es um ihre Anfänge als namenloses Findelkind geht. Kristallisationspunkt von Graham Swifts novellenhaft verdichtetem Roman ist ein ungewöhnlich sonniger Märzsonntag im Jahr 1924. Zum ersten und letzten Mal liegt Jane im Bett ihres Geliebten Paul, dem jüngsten Spross der wohlhabenden Sheringhams. In zwei Wochen soll er seine Verlobte heiraten – ein Grund mehr, sich diesen magischen Moment für immer einzubrennen. Doch „Ein Festtag“ ist nicht nur ein Proustsches Erinnerungsstück, das im Lichteinfall, in Farben und Gerüchen schwelgt, sondern auch eine außergewöhnliche Coming-of-Age-Erzählung: Später, als Paul auf dem Weg zu seiner Verlobten ist, wird Jane nackt durch das fremde Haus streifen, sich den Räumen buchstäblich „einschreiben“ und so zum Subjekt ihrer eigenen Geschichte machen.

Anja Kümmel