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Album der Woche

Orchestral Manoeuvres In The Dark - The Punishment of Luxury

Sony · 1. September

OMD sind eines der dienstältesten Duos des Elektropop, wurden mit Hits wie „Enola Gay“ weltweit bekannt, und noch immer stehen die beiden Briten auf der Bühne. Im Interview erzählen Andrew McCluskey und Paul Humphreys, wie sie die Kontrolle über ihre Band wiedergewonnen haben, warum sie sich immer wieder mit den beiden Weltkriegen beschäftigen und wieso sie gern hohe Steuern bezahlen.

OMD existieren seit fast 40 Jahren. Wie fühlt sich das an?

Paul Humphreys: Erstaunlich. Wir haben im Oktober 1978 als Vorband von Joy Division begonnen.
Andy McCluskey: Das war im Rex-Club in unserer Heimatstadt Liverpool. Im Publikum waren nur 25 Zuschauer, die müde geklatscht haben. (lacht)

Andy, Sie leben in Liverpool, Paul in London. Wie bewerten Sie die gegenwärtige politische Situation in Großbritannien?

Andy: Mit dem Brexit-Votum hat ein Desaster begonnen. Wir hatten gerade eine Wahl in Großbritannien und die jungen Leute sind endlich aufgewacht, haben abgestimmt und gemerkt, dass die Alten ihre Zukunft mit dem Votum für den Austritt sozusagen in den Abgrund geworfen haben.

Wen wählen Sie?

Paul: Ich habe mein ganzes Leben Labour gewählt.
Andy: Viele Menschen sind zu egoistisch. Wir sind keine Multimillionäre, aber wir haben Geld. Wenn wir also Labour wählen, stimmen wir dafür, dass wir mehr Steuern zahlen. Eigentlich wäre das nicht in unserem Interesse. Aber es ist unser aller Interesse, zu teilen.

Haben Sie mittlerweile so viel Geld verdient, dass Sie sich entspannt zurücklehnen und komplette künstlerische Freiheit genießen können?

Andy: Es hängt nicht alles vom Geld ab. Wir haben ganz bewusst sichergestellt, dass wir die volle Kontrolle haben, denn 1989 hatten wir zwar 25 Millionen Platten verkauft, aber schuldeten unserer Plattenfirma eine Million Pfund. Das ist uns einmal passiert und wir wollen nicht, dass sich das wiederholt.

Was haben Sie aus dieser Erfahrung gelernt?

Andy: Jetzt ist uns wichtig, dass es nur um die Musik geht. Wir haben Studios in Liverpool und London und machen dort alles selbst. Wir involvieren die Plattenfirma erst, wenn das Album fertig ist.

Der Titel „The Punishment of Luxury“ bezieht sich auf ein Gemälde des italienischen Malers Giovanni Segantini von 1891. Was hat es damit auf sich?

Andy: Wir wollen damit ausdrücken, dass die Menschen in der westlichen Welt zwar materiell besser als je zuvor gestellt, aber weniger glücklich sind. Das liegt daran, dass uns seit Jahrzehnten eingeredet wird, dass es nicht reicht, wenn man seine Kinder ernähren kann, jemanden liebt oder nicht an einer schweren Krankheit stirbt. Wenn du deinen Kindern keinen Gameboy kaufst, dann liebst du sie nicht. Wenn dein Auto drei Jahre alt ist, tuscheln die Nachbarn. Uns wird ständig eingebläut, dass wir nicht gut genug sind. Man muss ständig Produkte kaufen, um zu beweisen, dass man es wert ist, geliebt zu werden.

Der Song “La mitrailleuse” bezieht sich auf den Ersten Weltkrieg, ist aber auch von einem Gemälde inspiriert. Was hat Sie daran interessiert?

Andy: La mitrailleuse heißt auf Französisch Maschinengewehr. Der Erste Weltkrieg war die erste industrielle Massentötung.

„Enola Gay“ befasst sich ja mit dem Zweiten Weltkrieg. Warum taucht dieses Thema immer wieder auf?

Andy: Wir sind in den 60er-Jahren aufgewachsen und haben immer wieder Erzählungen vom Zweiten Weltkrieg gehört, denn unsere Eltern hatten ihn erlebt. Im Krieg ändert sich die Moral völlig. Menschen werden dazu gebracht, andere Menschen umzubringen. Wir hatten die Ehre, am 70. Jahrestag der Bombardierung in Dresden aufzutreten. Ich finde es erstaunlich, dass einige Jahre, nachdem sich die Deutschen und Briten umbringen wollten, die Beatles nach Hamburg gingen, um eine Rock’n’Roll-Band zu werden. Wir sind in Liverpool aufgewachsen, wurden aber nicht von den Beatles inspiriert, sondern von Bands wie Kraftwerk aus Düsseldorf. Weniger als eine Generation, nachdem die Menschen versucht hatten, sich umzubringen, wurden die jungen Leute von der Musik wieder zusammengeführt. Wir fühlen uns sehr geehrt, dass wir ein Teil dieses Heilungsprozesses sein durften.

Stört es Sie, wenn Sie auf Hits wie „Enola Gay“ reduziert werden?

Paul: Nein. Man kann die Vergangenheit feiern und dennoch im Hier und Jetzt relevant sein. Es ist schön, wenn die Menschen die Lieder kennen, die wir früher gemacht haben und sie noch mögen.
Andy: Wir lieben all unsere Songs. Sie sind immer noch unsere Kinder und haben sich gut entwickelt.

Interview: Annette Walter

Unser Fazit:

OMD beweisen auf ihrem 13. Album, dass sie immer noch eingängige Popsongs schreiben und eine der relevantesten Elektropopbands Großbritanniens sind. Der Titelsong „The Punishment of Luxury" ist eine Hymne, die an den Klassiker „Enola Gay“ erinnert. Ein großartiges Album, das unterstreicht, dass die Band auch nach 40 Jahren nichts von ihrer Stärke verloren hat.