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Album der Woche

Grizzly Bear - Painted Ruins

Grizzly Bear Music/RCA Rec. · 18. August

Aus Alt mach Neu: Auf „Painted Ruins“ findet die US-Indie-Formation Grizzly Bear luftige Harmonien und gewichtige Worte für den Morgen danach und den Abend zuvor...

Bassist und Produzent Chris Taylor trägt ein waches Sonnyboy-Grinsen im Gesicht, das offene Shirt über der breiten Brust zeigt eines von vielen Tattoos. Daniel Rossen, Sänger und Songwriter, ist eher der stille Typ mit den wohlgewählten Worten. Auf die Idee, dass beide in derselben Band spielen, käme man so schnell nicht.

Nach mehreren Jahren Abstand kehrt ihr zu Grizzly Bear zurück. Wie hat das funktioniert?
Rossen: Wir kommen aus verschiedenen Richtungen und mit neuen Perspektiven – umso mehr war uns wichtig, dass das Album einen offen, gemeinschaftlichen Charakter bekommt. Dafür sind wir diesmal deutlich erwachsener, organisierter an die Arbeit gegangen. So hat der Prozess mehr und mehr Spaß gemacht – ein Gefühl, das wir so seit unseren Anfangstagen nicht mehr hatten.

Inwiefern fand das Ausdruck im Sound?
Taylor: Von September 2014 an habe ich für ein Jahr in Berlin gelebt. Es hat ein Weilchen gedauert, bis ich gemerkt habe, wie hervorragend man hier unter Kreativen zusammenarbeiten kann – und wie sehr die Stadt in diesem Sinne Los Angeles ähnelt – und so habe vor allem viel Zeit im Berghain verbracht. (lacht) Die Realisierung von Raum und Sound im Minimal Techno hat mich stark beeindruckt. Die besten Tracks kommen mit sehr wenigen, sehr sorgfältig gewählten Elementen aus, die einen tief in der Seele treffen. Ich denke, diese enorme Konzentration hört man etwa dem Song „Three Rings“ an – auch ohne Techno-Beat.

Haben Sie sich in Ihrer Zeit in Berlin in die Streetart der Stadt verguckt?
Taylor: Ja, vor allem in diese riesigen Ratten (des belgischen Künstlers ROA, Anm. d. Red.)! (lacht)

Wir fragen wegen der bemalten Ruinen...
Rossen:Tatsächlich ist das ein sehr offener Titel und zugleich ein sehr starkes Bild. Für mich hat es vor allem zwei komplementäre Seiten: die Idee von zu Bruch gehenden, privaten wie globalen Strukturen, die man so eben noch zusammenhält – und der Versuch eines verspielten, hoffnungsvollen Neuanfangs.

Mehrere der neuen Songs verwenden Bild und Stimmung des Morgens...
Rossen: Darüber haben wir bislang tatsächlich noch gar nicht nachgedacht. Der Morgen hat einen klaren, fast transparenten Charakter, der für den kreativen Prozess von enormem Wert sein kann.
Taylor: Ich liebe es mittlerweile, früh aufzustehen. Diese Zeit gehört ganz mir und meinem Tee. Außerdem redet meine Frau morgens sehr viel, da bin ich lieber schon vorher wach! (lacht)

UNSER FAZIT:
Das letzte Album „Shields“ (2012) bescherte Grizzly Bear ihre größten Erfolge – und einen guten Anlass zum Innehalten. Auf „Painted Ruins“ setzt die mittlerweile in Kalifornien beheimatete Band nun neu an. Der Sound der elf Songs atmet eine frische Leichtigkeit, die geradezu lyrische Texte um Verlust, Identität und die Kraft des Morgens umspielt. Indie für Erwachsene.

Friedrich Reip