Kino

31.10. | Kinostart der Woche

Bohemian Rhapsody

Die Frau an Freddies Seite

Die Freundin des Protagonisten zu spielen ist bisweilen eine langweilige Aufgabe. Allerdings nicht, wenn die Frau Mary Austin ist – und der Mann an ihrer Seite Freddie Mercury. Wir trafen die britische Schauspielerin Lucy Boynton („Mord im Orientexpress“), die in „Bohemian Rhapsody“ die langjährige Lebensgefährtin und Vertraute des Queen-Sängers spielt, zum Interview.

Miss Boynton, haben Sie die echte Mary Austin für Ihre Rolle in „Bohemian Rhapsody“ getroffen?

Nein, leider hatte ich nicht die Möglichkeit dazu. Aber das wusste ich von Anfang an. Sie hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass Sie ein sehr zurückgezogenes Leben führt und keinerlei Aufmerksamkeit will. Deswegen hat sie jeglichen Kontakt zum Filmteam verweigert. Dafür waren aber Brian May und Roger Taylor umso involvierter.

Waren die Gespräche mit den beiden also Ihre Recherche für diese Rolle?

Zunächst einmal machte ich mir eine chronologische Liste aller Queen-Alben und nahm sie genau unter die Lupe, vom Tracklisting bis hin zu allen Angaben, wer was geschrieben hat. Aber ja, insgesamt war Brian May meine Hauptquelle beim allem, was Mary anging. Immerhin hat er sie ja damals überhaupt erst mit Freddie Mercury bekannt gemacht, als sie ungefähr 19 Jahre alt war. Er kannte sie wirklich gut, vor allem am Anfang. Deswegen war es unglaublich toll, von ihm so viele Geschichten über sie zu hören.

Haben Sie eigentlich einen persönlichen Bezug zur Musik von Queen und Freddie Mercury?

Ich war auch vor dem Film schon Fan ihrer Musik. Es ist ja eigentlich egal, wie alt man ist oder zu welcher Generation man gehört: irgendwie kennt jeder Queen. Selbst wenn es manchmal eher unbewusst ist und vielleicht viele gar nicht genau wissen, von wem das Stampfen und Klatschen bei „We Will Rock You“ stammt. Allerdings muss ich dazu sagen, dass ich wirklich nur mit den bekannten Songs vertraut war. Über die Band an sich und die spannenden Geschichten dieser brillanten Musiker wusste ich nicht allzu viel.

Sie sind in den Neunziger Jahren geboren. Was haben Sie eigentlich für einen Blick auf die Zeit, in der der Film spielt, also die Siebziger und Achtziger Jahre?

Ich glaube, ich sehe diese Zeit durch eine rosarote Brille. Für mich ist das, gerade was Musik und Mode angeht, eine Zeit des puren Glamours. Und des Double Denim-Looks, Jeanshemd zu Jeansrock und so! Ich habe es wirklich sehr geliebt, mich für den Film in diese Epoche zu stürzen. Gerade weil ich sie selbst nicht erlebt habe und deswegen auch ein wenig verklären darf.

Die Beziehung zwischen Mary und Freddie nimmt in „Bohemian Rhapsody“ großen Raum ein. Einerseits beschrieb er sie oft als große Liebe seines Lebens, anderseits war er homosexuell. Wie würden Sie die Liebe zwischen beiden beschreiben?

Sie war auf jeden Fall etwas sehr besonderes und ungewöhnliches. Das wurde mir dadurch klar, wie Brian und Roger über die beiden sprechen. Ich glaube die beiden haben von Anfang an den Kern des jeweils anderen erkannt, wenn man das so sagen kann. Ihre emotionale Verbindung war etwas sehr wahrhaftiges, nicht nur in den sechs Jahren, in denen sie romantisch liiert waren, sondern auch nach seinem Coming-Out. Sie war bis zum Ende seines Lebens seine engste Verbündete. Die tiefe, einzigartige Liebe blieb bestehen selbst als die Beziehung vorüber war.

Ist es aber als Schauspielerin nicht eigentlich undankbar, die Freundin eines so schillernden Protagonisten zu spielen?

In diesem speziellen Fall war es das nicht, denn Mary ist zwar ganz anders als Freddie, aber trotzdem auf ihre Weise eine Naturgewalt. Sie hat viel aushalten müssen in ihrem Leben, hat aber eben auch eine enorme Kraft. So wie sie im echten Leben neben ihm nicht untergegangen ist, besteht sie auch als Figur in diesem Film an seiner Seite.

Eine letzte Frage noch zu den Dreharbeiten, denn Regisseur Bryan Singer wurde bekanntlich auf halber Strecke entlassen und durch Dexter Fletcher ersetzt. Wie haben Sie als Schauspielerin diesen unerwarteten Wechsel erlebt?

Wir hatten das Glück, mit Graham King einen außergewöhnlichen Produzenten zu haben, der uns und den Film sicher durch diesen Regiewechsel geführt hat. Er war jeden einzelnen Tag am Set und hatte die Zügel stets fest in der Hand. Überhaupt war es ein Segen, dass wir als Ensemble und Team sehr früh zu einer eingeschweißten Gruppe wurden, die gemeinsam und mit Leidenschaft diese Geschichte erzählen wollte. Die Krise an der Spitze schweißte uns da noch enger zusammen.

Interview: Patrick Heidmann

Fazit Die komplexe Beziehung zwischen Freddie Mercury (Rami Malek) und der von Boynton gespielten Mary Austin stellt den emotionalen Kern von „Bohemian Rhapsody“ dar, doch natürlich wäre der Film nichts ohne seine Musik. Denn in den Ohrwürmern, die in rekonstruierten Studio- und Konzertszenen zum Einsatz kommen, liegt schließlich der Mythos Queen begründet.