Musik

31.08. | Album der Woche

Madeleine Peyroux • Anthem

Madeleine Peyroux ist eigentlich nicht als politische Künstlerin bekannt. Doch sie sieht keine Möglichkeit, die aktuellen Geschehnisse in den USA zu ignorieren.

Decca / Universal • 31. August

PeyrouxIhr neues Album heißt „Anthem“. Ist Ihre Hymne jemandem gewidmet?

Eine Hymne ist ein Stück Musik, das ein Glaubenssystem definiert. Das Original ist von Leonard Cohen und es ist ein unglaublicher Song. Für mich ist die Hymne auf diesem Album der Versuch, zu definieren, wer wir sind und in was für einer Welt wir gerade leben. Sie ist Teil meiner Suche nach etwas, an das ich in unserer Gesellschaft glauben kann.

Und sind Sie fündig geworden?

Naja, ich glaube an Musik. Und wissen Sie was, ich glaube an die Menschen. Ich glaube wirklich auch an die Menschen.

Merken Sie bei Ihren Shows, welche Haltung Ihr Publikum hat?

Ja, das bekommt man mit. Ich habe während der Zeit des Wahlkampfes getourt und es waren die intensivsten Shows überhaupt. Die USA werden gerade von einem Menschen regiert, der defi nitiv nicht Präsident sein sollte. Trump ist der Inbegriff dafür, was mit dem Kapitalismus nicht stimmt. Wir waren alle am Boden zerstört, als er gewählt wurde und die Musik schien angesichts dessen unwichtig. Als ich bei einem Konzert versuchte, die Stimmung ein bisschen aufzulockern und meinte: „Hey Leute, ihr müsst doch nicht alle so ernst sein“, hat mir aus dem Publikum jemand zugeschrien: „Doch, das ist wichtig!“. Trotzdem bleibt Musik eine heilende Kraft , die auch dann funktioniert, wenn man mit Worten nichts mehr sagen kann.

Wie sehr haben die Wahlen den Schreibprozess Ihres Albums beeinflusst?

Ich glaube, es war gar nicht möglich, sich nicht davon beeinfl ussen zu lassen. „Th e Brand New Deal“ beispielsweise handelt von dem vorherrschenden Materialismus, wegen dem zu viele die Menschlichkeit vergessen. „Lullaby“ porträtiert eine Mutter, die allein mit ihrem Baby auf der Flucht ist.

Immerhin wurde die Mutter noch nicht von ihrem Baby getrennt, was ja gerade in den USA auch keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Wie schaff en Sie es, bei Ereignissen wie diesen dennoch an die Menschen zu glauben?

Weil ich vor Kurzem miterlebt habe, wie in New York viele Menschen wegen dieser Flüchtlingspolitik auf die Straße gegangen sind. Der Grund, warum viele Menschen Trump gewählt haben, ist ein Mangel an Bildung. Sicher gibt es eine kleine Gruppe an Menschen, die einfach rassistisch und gierig ist und sich nicht für die Bedürfnisse anderer interessiert. Aber ich glaube wirklich nicht, dass das die Mehrheit ist.

Interview: Katharina Raskob

FAZIT: Auf ihrem neunten Album ist Madeleine Peyroux politischer als je zuvor. Die Jazz- und Bluessängerin verpackt schwere Themen in leichtfüßige Songs und bleibt dabei textlich subtil genug, um Interpretationsspielräume zuzulassen. Bei aller Schwere ist auf „Anthem“ genug Platz für Mundharmonika, Schellenkranz und ein bisschen „Party Tyme“. Eine Mischung, die gekonnt die Balance zwischen Introspektion und Sonntagskaffeeklatsch hält.