Literatur

31.05. | Buch der Woche

TC Boyle • Blue Skies

Hanser

31.05. | Buch der Woche - TC Boyle • Blue Skies

Saufend gen Untergang

Die Welt geht unter in T.C. Boyles neuem Roman »Blue Skies« – was gibt es da zu lachen? Dank seiner Qualität, das Abstruse glaubwürdig zu erzählen, eine Menge.

Des Menschen (und der Natur) größter Feind ist: der Mensch. Wer gern T.C.-Boyle-Romane liest, hat dies schon lange erkannt. Spätestens seit seiner apokalyptischen Sci-Fi-Dystopie »Ein Freund der Erde«, die Boyle bereits vor über zwei Jahrzehnten schrieb, weiß man, wie sich einer der spannendsten US-Autoren der Gegenwart unser aller Zukunft vorstellt: Wir werden alle untergehen. Denn, so sagte er selber in einem GALORE-Interview: »Es ist bereits fünf nach Zwölf. (…) Die grimmige Seite der Natur zeigt sich und richtet unsere Lebensgrundlagen Stück für Stück zugrunde.« Von dieser grimmigen Seite erzählt auch »Blue Skies«, beispielhaft an zwei Regionen: zum einen Florida, das peu á peu absäuft, zum anderen die Küste Kaliforniens, die von fortwährenden Waldbränden verzehrt wird. In Florida stoßen wir auf die betagten Öko-Krieger Ottilie und Frank, ein Ehepaar, das die Zeichen der Zeit erkennt und versucht zu tun, was man eben noch so tun kann – etwa, den häuslichen Bedarf an Cookie-Mehl auf Insekten umzustellen. Während ihre Tochter Cat, ein angehender Social Media-Star und damit angemessen selbstverliebt, nebst ihrem zukünftigen Verlobten Todd in Kalifornien lebt und einfach so tut, als wären die wöchentlich eintretenden Naturkatastrophen nun einmal der Lauf der Dinge. Für sie zählt vor allem, sich ihre persönlichen Wünsche zu erfüllen. Etwa einen schillernden Tigerpython, den man sich für Selfies so wunderbar um den Hals legen kann und der obendrein fantastisch zur neuen Jeans passt. Als der junge Burmie – so wird der Python getauft – eines Nachts aus seinem Terrarium ausbüchst, formuliert Boyle damit den ersten von einer ganzen Reihe zunächst unspektakulär wirkender Plot-Twists, die die gesamte Familie (und nicht nur die) im weiteren Verlauf in höchste Nöte bringen. Mit der Folge, dass die Protagonisten einfach noch mehr Alkohol trinken als sowieso schon, um ihr ach so schweres Los zu ertragen. Was – man ahnt es schon – Anlass für weitere skurrile Zwischenfälle gibt, die auch diesen Roman von Boyle zu einem echten Pageturner machen. Nicht nur durch diese Grundkonstellation wirkt »Blue Skies« wie eine (wenn auch nur etwas) weniger durchgeknallte Gegenwartsversion von »Ein Freund der Erde« – ein Gesellschafts- und Sittenbild, in dem sich der Mensch, statt sich in seinem Handeln zu hinterfragen, mit den immer neuen, selbst verursachten Gegebenheiten arrangiert und im Auge des Orkans vor allem zwei Fragen zu haben scheint: Wie wird das Wetter morgen? Und wo ist der nächste Drink? Brillant, abgeklärt, fantasievoll und dank der vielen absurden Situationen wahnsinnig lustig malt T.C. Boyle dieses Sittenbild eines modernen Menschen, der im Grunde verloren ist – schon deshalb, weil er gar nicht den Versuch unternimmt, sich selber und seinen Platz in der Natur zu finden. Stattdessen steht diese Familie für ein konsequentes »wir müssen einfach weitermachen« und hält damit allen Klimawandel-Skeptikern den Spiegel vor. Allein, es steht zu befürchten, dass gerade jene nun eher die letzten sind, die sich diesen beachtlichen Roman vornehmen werden.


TC Boyle
Blue Skies

Hardcover
400 Seiten, 28,00 €

Sascha Krüger