Kino

31.01. | Kinostart der Woche

Green Book

GREEN BOOK – EINE BESONDERE FREUNDSCHAFT

Entertainment One • 31. Januar

Faust oder Würde

Viggo Mortensen und Mahershala Ali brillieren als ziemlich beste Freunde in einem oscarreifen Biopic über den schwarzen Konzertpianisten Don Shirley.

Es braucht nicht gleich einen bulldozernden Tarantino, um einen eindringlichen Film über Rassendiskriminierung zu machen. Peter Farrellys Filmbiografie „Green Book“ kommt daher wie eine Einladung, der man sich nicht entziehen kann: humorvoll, bittersüß und elegant erzählt. Es ist 1962, kurz vor Ende der Jim-Crow-Ära. Noch immer müssen Schwarze in Teilen der USA separate Toiletten benutzen, und Nat King Cole wird auf der Bühne verprügelt, weil er angeblich Weiße mit Rock’n’Roll verführt. Pianist Don Shirley (Mahershala Ali) ist schwarz, schwul und spielt auch noch Klassik. Für seine Tournee in die Südstaaten heuert er den italienisch-stämmigen Rausschmeißer Tony Lip (Viggo Mortensen) als Chauffeur und Beschützer an. Das „Green Book“, ein Reiseführer für afroamerikanische Autofahrer, soll ihnen Anfeindungen ersparen. Natürlich kommt es anders. Doch der eigentliche Konflikt schwelt zunächst zwischen den beiden Prinzipienreitern: Sie gehen einander gehörig auf den Keks, bevor sie ihre Vorurteile überwinden und der eine den anderen durch unkonventionelle Methoden aus der Einsamkeit lockt. Dieses Strickmuster erinnert an „Ziemlich beste Freunde“ oder „Miss Daisy und ihr Chauffeur“? Stimmt zwar, stört aber nicht. „Green Book“ ist eine Hommage an reale Vorbilder: Don Shirleys Virtuosität sei „den Göttern würdig“, lobte einst Igor Stravinsky. Lip ergatterte später eine Rolle in „Die Sopranos“, sein Sohn Nick Vallelonga schrieb am Drehbuch von „Green Book“ mit. Mortensen hatte gezögert, die Rolle anzunehmen: Es gäbe zu viele echte italo-amerikanische Schauspieler. Zum Glück tat er es doch, legte sich dafür einen Bronx-Akzent an und rund 15 Kilo zu. Ihm und Ali zuzusehen, ist ein Geschenk und offenbart irritierend neue Seiten der Darsteller – selten sah man Mortensen in einer so komischen Rolle. Wie Lip den schnöseligen Shirley dazu bringt, auf dem Rücksitz mit den Fingern frittiertes Hühnchen zu essen, gehört definitiv in die Best-of-Sammlung. Die Komödien-Erfahrung von Regisseur Farrelly („Verrückt nach Mary“, „Dumm und Dümmer“) war sicher von Vorteil. Farrelly gelingt ein bewegender, zutiefst menschlicher Film über die Frage, wie man andere zum Umdenken bewegen kann. „Ich bin schwärzer als du!“, wirft der arme, ungebildete Lip seinem Chef provokant an den Kopf und entlarvt dessen eigenes Schubladendenken. Letztlich hilft beiden nur eins: gemeinsame Zeit.

FAZIT: Oscar, ick hör dir trapsen! Schon beim Filmfestival von Toronto gewann der Film den Publikumspreis, meist ein Erfolgs-Indikator für die Academy Awards. Kein Wunder: Knackige Dialoge, toller Soundtrack (Little Richard, Chubby Checker) und zwei Hauptdarsteller zum Verlieben. Dazu ein gewichtiges Thema zur richtigen Zeit. Ob diese Rolle Mortensen endlich den verdienten Oscar einbringt?

Antje Harders