Musik

30.10. | Album der Woche

Amy Macdonald • The Human Demands

BMG

AMY MACDONALD
The Human Demands

BMG • 30. Oktober

Anspruch erfüllt

Für ihr fünftes Album »The Human Demands« stellte Amy Macdonald so einige Weichen neu. Wir sprachen mit der schottischen Songwriterin über zehn abwechslungsreiche und reflektierte Songs, die vom Älterwerden und den damit verbundenen Herausforderungen handeln.

Wenn Amy Macdonald den Kopf frei kriegen will, dann geht sie zum Gewichtheben. »Ob Kreuzheben oder Kniebeugen, ich bin geradezu besessen davon!«, so Macdonald. »Man kennt seine eigene Stärke nicht, bis man es ausprobiert. So viele Mädchen in meinem Fitnessstudio heben ganz kleine Gewichte und ich will immer zu ihnen gehen und sagen: Nimm mehr, du bist stärker als du denkst! Für mich hat Gewichtheben etwas sehr Ermächtigendes und ich liebe es, dass ich so stark bin, denn die Leute erwarten es nicht.« Tatsächlich würde man der zierlichen Schottin, die Ende Oktober ihr fünftes Album »The Human Demands« veröffentlicht, dieses Hobby auf den ersten Blick nicht unbedingt zutrauen. Aber Amy Macdonald war sowieso schon immer ein bisschen anders. Im Alter von zarten 18 Jahren hat sie ihren ersten Plattenvertrag unterschrieben. Mit ihrem 2007 veröffentlichten Debütalbum »This Is The Life« gelang ihr wenig später der weltweite Durchbruch. Nicht nur wegen ihres breiten schottischen Akzents, der spannenden Alt-Stimme und der selbst geschriebenen Songs zwischen Rock und Pop hob sie sich von anderen Sängerinnen ab, sondern auch charakterlich. Amy Macdonald hatte keine Lust, in sexy Klamotten aufzutreten und ein vorgefertigtes Image zu verkaufen. Sie wollte lieber sie selbst sein. Im Laufe der Jahre hat die 33-Jährige vier Alben aufgenommen und sechs Millionen Tonträger verkauft – doch bei ihrem fünften Album schien es nun an der Zeit, ein paar Dinge zu ändern. »Ich habe vor Kurzem bei einem neuen Label unterschrieben. Dadurch fühlte sich alles aufregend und frisch an«, so die Schottin. »Das hat mir in den vergangenen Jahren gefehlt. Es war zuletzt irgendwie immer das Gleiche. Jetzt hatte ich plötzlich all diese motivierten Leute mit tollen Ideen um mich.« Eine dieser Ideen war, das Album mit dem Produzenten Jim Abbiss aufzunehmen, der zuvor mit Bands wie den Arctic Monkeys und Kasabian gearbeitet hat. »Deren Alben habe ich geliebt, als ich jung war«, sagt Macdonald. »Zwischen Jim und mir hat es sofort gepasst und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass wir genau wussten, wie das Album klingen soll. Gleichzeitig konnten wir total viel experimentieren.« Heraus kam ein ebenso abwechslungsreiches wie reflektiertes Album. Viele Songs auf »The Human Demands« handeln vom Älterwerden und den Herausforderungen, die das mit sich bringt. »Das hat weniger damit zu tun, dass ich kürzlich 30 geworden bin. Vielmehr habe ich ebenfalls vor Kurzem geheiratet«, erzählt die Sängerin. »Für unsere Hochzeit in Las Vegas sind 60 Leute um die halbe Welt gereist, und ich dachte damals: Wie toll, dass da all diese Menschen sind, denen mein Mann und ich so wichtig sind, dass sie für uns alles stehen und liegen lassen. Das hat mich sehr bewegt. Ich war schon immer eine Tagträumerin, die über Gott und die Welt nachdenkt, aber die Hochzeit hat das noch verstärkt. Ich habe viel auf mein Leben zurückgeblickt und über die Menschen nachgedacht, die mir wichtig sind. « Vielen von ihnen erweist Macdonald auf »The Human Demands« ihren Respekt. »Fire« zum Beispiel ist eine Liebeserklärung an ihren Mann und »der einzige Liebessong, den er je aus mir herausbekommt. Ich bin nämlich überhaupt nicht romantisch.« »Again« ist derweil eine Art Aufmunterung für all jene Freunde, die in den vergangenen Jahren mit Depressionen zu kämpfen hatten, und der Titelsong » The Human Demands « handelt davon, wie Musik in schweren Zeiten eine Stütze sein kann. »Ich habe in den letzten Jahren viel nachgedacht und dabei ist mir aufgefallen, was für irre Ansprüche wir nicht nur an uns selbst, sondern auch an unsere Mitmenschen stellen. Wir erwarten, dass jeder 24 Stunden am Tag verfügbar ist, dass wir sofort Antworten auf Mails erhalten und überhaupt dreht sich alles darum, seine Arbeit möglichst schnell fertig zu bekommen. Obendrein soll dabei jeder glücklich sein, aber das ist eben nicht immer so«, so Macdonald. »Auf meinem Album sind viele Songs, die um dieses Problem kreisen. Ich bin schlicht der Meinung: Es gibt bessere Wege, wie wir uns umeinander kümmern und uns das Leben dadurch leichter machen können. Musik ist etwas sehr Kraftvolles und deswegen ein guter Weg, um diese Botschaft zu verbreiten.«

Fazit:
Sie sei bei den Aufnahmen für alles offen gewesen, sagt Amy Macdonald über » The Human Demands «. Gemeinsam mit Produzent Jim Abbiss entstanden so zehn vielschichtige Songs zwischen Rock und Pop. Eingängig und radiotauglich, aber trotzdem tiefgründig und experimentell – von der verspielten Melodie im Eröffnungsstück » Fire « über die Slide-Guitar in der Ballade » Crazy Shade Of Blue « bis zu den euphorischen Chören in » Strong Again «.

Foto: Roger Deckker

Nadine Wenzlick