Musik

30.09. | Album der Woche

De-Phazz • Jelly Banquet

Phazz-a-delic

30.09. | Album der Woche - De-Phazz • Jelly Banquet

Hauch von Voodoo

Mit ihrer Mischung aus Jazz, Elektronik, Soul, Dub, Latin, Ambient, afrikanischen Einflüssen und Schlager-Historie gehören De-Phazz, die in diesem Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum feiern, zu den erfolgreichsten und beständigsten Acts des Landes. Bandleader Pit Baumgartner über die Lust an der Collage und die Reisen im Kopf.

Herr Baumgartner, beim Abtauchen in die an Samples so reiche Musik von De-Phazz kommt einem das Booklet-Foto einer Gangster-Rap-CD in den Sinn, „2001“ von Dr. Dre. Der Mann steht dort in Bergen alter Vinylscheiben, im Hintergrund eröffnet sich ein Archiv mit Tausenden weiteren Rohstoffquellen.
Der zentrale Punkt meines Schaffens ist die Collage. Insofern passt es, da die Hiphopper das ebenfalls gerne machen. Sie halten sich an einem genialen Sample fest. Ich habe immer das Gefühl, ich müsste mehrere Schichten übereinander legen, um noch mehr Tiefe zu erhalten. Was daran liegen mag, dass ich aus dem Hörspiel komme. Da finden sich Details, die hören Sie abseits von Kopfhörern gar nicht mehr.

Haben Sie ebenfalls ein solches Archiv mit Rohstoffquellen?
Ich stöbere über Trödelmärkte oder durch eine kleine Handelshalle, die hier in meiner Heidelberger Heimat an den Wertstoffhof angeschlossen ist. Sie verkaufen dort alte, noch nutzbare Möbel, es gibt meterweise Originalfilme auf VHS-Kassette – und eben auch eine Menge alter Platten. Ich nutze zum Beispiel gerne Material von B-Orchestern der Fünfziger- oder Sechzigerjahre, die schon damals keiner hören wollte.

…aber auch absolute A-Ware aus der Klassik oder sogar das Œuvre von Bert Kaempfert.
In der Tat, ich hatte eine wunderbare Begegnung mit seiner Tochter. Meine Lieblingsquelle sind aber die absurden Sounds. Sowas wie: Hugo Strasser spielt „Highway Star“ von Deep Purple. Damals musste ja alles nochmal neu in Schlagerform aufgenommen werden. Zum Jubiläum geben Sie mit De-Phazz nicht etwa bequem ein Best-Of heraus, sondern ein komplett frisches Studioalbum mit sehr hoher Sampling-Rate. Ich arbeite mehr denn je wie ein Fotograf, der sein gesamtes Bild aus den Schnipseln anderer Bilder erzeugt, sie aber dabei sehr stark verfremdet und komplett neu einfärbt. Für dieses Gespräch hatte ich sogar überlegt, Form und Inhalt zusammenzubringen, indem ich gar keine eigenen Antworten auf Ihre Fragen gebe, sondern aus den alten Ausgaben von GALORE passende von anderen Befragten zusammensuche.

Jeder Song erzeugt bei Ihnen eine Kaskade von Bildern im Kopf. Den Sektempfang in einer weißen Villa, der harmlos wirkt, dem aber auch Mafiosi beiwohnen. James Bond unter Palmen und Sonne, der im Sommerlicht dramatisch zu kämpfen hat.
Die Bilder sind bei jedem anders, aber immer vorhanden. Musik ist ein inneres Fotoalbum und in meinem Fall durch das Aufgreifen älterer Rohstoffe auch ein Herausheben aus der Zeit. Das hat was Sakrales oder einen Hauch von Voodoo.

In den 25 Jahren ihres Bestehens haben De-Phazz zahlreiche musikalische Schwerpunkte durchlaufen. Was jede Platte einte, war ihre beruhigende Wirkung, eine Form von niveauvollem Eskapismus. Ist der gerade in heutigen Zeiten sogar wichtiger geworden?
Du kannst nicht 24 Stunden lang N24 gucken, dann wirst du verrückt im Kopf. Wir haben alle auch die Verantwortung, uns gut um uns selber zu können. Dabei kann Musik hilfreich sein. Eben gerade auch, weil sie das besagte, persönliche Fotoalbum darstellt. Du hörst einen Song und bist wieder im Urlaub von 1984.

Sie scheinen als Mensch ebenfalls ein sehr balancierter, resilienter Typ zu sein.
Die Entspanntheit ist ein Wesenszug von mir. Bei mir gibt es wenige Ausschläge nach unten und allerdings auch nur wenige nach oben. Ich freue mich zu selten so richtig. Gerade eben müsste ich glücklich sein darüber, wie uns alles gelungen ist und sämtliche Räder ineinander gegriffen haben.

Sie haben folglich auch kein Ritual wie manche Künstler, die ihr neues Werk am Erscheinungstag besonders feierlich in die Welt entlassen?
Nein, das wären dann in der Tat diese fehlenden Ausschläge nach oben. Außerdem sollten Sie bedenken: Ich musste mir vor diesem Gespräch die aktuelle Platte nochmal in Ruhe anhören, da sie für mich schon drei Monate hinter mir liegt. In dem Augenblick, wo das Master fertig ist und ich die Vinylprobe höre, ist der Peak überschritten.

De-Phazz
Jelly Banquet

Phazz-a-delic, 30. September

Die stärksten Momente hat diese 23 Songs starke Reise, wenn Titel, Thema und Klangästhetik eines Stückes eine Skulptur bilden. Wie bei „Drop The Ball“, das als Leitmotiv den unverkennbaren Klang eines auf der Platte klickenden Tischtennisballs verwendet. In diesem Fall eine Zulieferung des Schlagzeugers Oli Rubow mit Arrangements von Ulf Kleiner. Derlei Zuarbeit sei für ihn wichtig, sagt Baumgartner, als „mittelmäßiger Musiker“, der aber „genau weiß, wie die Dinge klingen müssen“. Wie immer hat er der Kernbesetzung einen spannenden Reigen frischer Gäste hinzugefügt. Neben der von ihm sehr verehrten Inga Rumpf hebt er zurecht das Schwestern-Trio Ganes hervor, das in seiner südtirolischen Sprache Ladinisch singt. Eine Herausforderung, „die Sätze korrekt zu schneiden“, aber in der Tat eine einzigartige Magie, ohne ein Wort zu verstehen.


Foto: Claus Geiss

Oliver Uschmann