Literatur

29.07. | Buch der Woche

Ferdinand von Schirach & Alexander Kluge • Trotzdem

Luchterhand

Ferdinand von Schirach & Alexander Kluge
Trotzdem
Luchterhand • 80 Seiten

Ferdinand von Schirach und Alexander Kluge gehören sicherlich zu den scharfsichtigsten Beobachtern unserer Zeitläufte. Via Messenger- Dienst haben sie nun über das Corona- Virus und die Maßnahmen zu dessen Eindämmung gesprochen. Der Verlag Luchterhand hat diese Gespräche zwischen zwei winzige, 10,0 x 15,5 cm große Buchdeckel gepresst. Und das ist das Problem.

Ein Buch, so wird bei der flotten, zweistündigen Lektüre erneut bewusst, braucht Zeit, Muse, Versenkung. Es ist als Medium nicht neutral, und wenn es nicht allein die McLuhan’sche Message ist, so doch zumindest ihr elementarer Teil. In welcher Form man ein Gespräch liest, hört, konsumiert, ist nicht egal. Ein Chatverlauf eignete sich in den schnelllebigen Zeiten einer Pandemie, die täglich neue Nachrichtenlagen und Erkenntnisse produziert, vermutlich für einen Online-Artikel oder eine mittelschwere Twitterdiskussion. Als Buch, gefangen in der bleiernen Schwere des gedruckten Wortes, wirken die Zeilen – auch die zweier großer Intellektueller – so gestrig, wie sie es nun einmal zwangsläufig sind. Was am 30. März, als die Messenger-Gespräche aufgezeichnet wurden, noch wie ein neuer Gedanke wirken mochte, ist inzwischen längst Teil des diskursiven Rauschens aus Podcasts, Talkshows und Kolumnen geworden.

Da kann noch so viel Thukydides und Montesquieu zitiert werden, es hilft ja nichts. Das, was durchdacht werden müsste, bräuchte mehr Raum. Immerhin, man erfährt, dass von Schirach keine Eier kochen kann. Das Leben mit und nach Corona benötigt unbedingt kluge Bücher. Dieses jedoch nicht.

Daniel Monninger