Musik

28.08. | Album der Woche

Jason Mraz • Look For The Good

BMG

Foto: Jen Rosenstein

»Wir sind nicht der Höhepunkt der Evolution.«

Jason Mraz hat sich mit eingängigen Pop-Songs zwischen Folk und Rock seinen Ruf als Gute-Laune-Onkel redlich verdient. Mit »Look For The Good« hebt er seinen eisernen Optimismus auf die nächste Stufe und lässt seiner Liebe zum Reggae freien Lauf. Im Gespräch erzählt der Wahl-Kalifornier, wie er seine positive Mentalität auch in Krisenzeiten bewahrt und warum nicht nur die eigene Zeit das höchste Gut ist.

Mr. Mraz, wir befinden uns gerade in einer globalen Krise. Wie bewahren Sie sich Ihren Optimismus?

Ich habe immer die Kreativität als Pfad zur Positivität genutzt. Manchmal bin ich melancholisch und es vergehen Tage, in denen ich mir physisch nicht mal ein Lächeln abringen kann. Wenn das passiert, wende ich mich meiner Kreativität zu. Ich setze mich ans Klavier und erfahre die Transformation am eigenen Leib. Von einem traurigen Niemand werde ich plötzlich zu einem Schöpfer. Die Kreativität ist meine Superkraft, mit der ich nicht nur mich selbst glücklich mache, sondern im Idealfall auch die Leute, die mit meiner Musik in Berührung kommen.

Ihr neues Album heißt »Look For The Good«. Wo finden Sie derzeit Gutes?

Für mich persönlich darin, dass ich gezwungen bin, zu Hause zu sein. Ich lebe auf einer kleinen Ranch am Rande San Diegos und konnte mich dadurch mehr um das Anbauen von Obst und Gemüse kümmern. Generell denke ich, dass diese Krise uns dabei hilft, unsere Beziehung zur Natur zu überdenken. Wir haben in den vergangenen Jahren die Einstellung kultiviert, dass wir für immer leben werden. Wir messen Entwicklung daran, wie viel wir an einem Tag erledigen können. Das frisst nicht nur unsere natürlichen Ressourcen auf, sondern auch unsere mentale und physische Gesundheit. Die Krise zwingt uns zur Entschleunigung und erinnert uns an die Macht der Natur, denn dieser Virus hat die ganze Welt lahmgelegt. Wir sind nur ein Teil der Biodiversität auf diesem Planeten und könnten wie viele andere Kreaturen einfach aussterben. Wir sind eben nicht der Höhepunkt der Evolution.

Viele von uns führen ein weitestgehend abgesichertes Leben. Wie funktioniert Ihre Philosophie der Positivität für Menschen, die sich in weniger privilegierten Situationen befinden?

Ich bin viel durch Entwicklungsländer gereist und habe Menschen gesehen, die in Armut leben und trotzdem noch gemeinsam lachen und tanzen. Ich denke, dass sie einfach ihre Zeit und Liebe wertschätzen, statt materialistischer Dinge wie das neuste Smartphone. Im Leben spielt das Leiden immer eine Rolle. Man kommt mit dem Wissen auf die Welt, dass man sterben wird. Das Ziel bis dahin ist, in diesem Gedanken Trost zu finden und unsere Zeit sinnvoll zu nutzen. Es gibt viele Möglichkeiten, die eigene Perspektive zu verändern und ich denke, dass uns genau das als Menschen verbindet.

»Look For The Good« ist ein Reggae-Album. Ein Genre, in dem Optimismus verwurzelt ist?

Auf jeden Fall! Viele der ersten Reggae-Songs handelten von Liebe. Aber nach und nach veränderte sich die Musik und es entstanden Protest-Hymnen, die die Probleme der Menschen in Jamaika
aufzeigten. Aber auch das ist eine Version von Positivität: Wir leben zwar gerade in schwierigen Zeiten, aber wir spielen diese Musik jetzt so laut, dass wir uns durch diesen Akt selbst heilen. Selbst wenn der Songtext an sich nicht optimistisch ist, steckt im kreativen Prozess doch etwas Positives.

Wenn man über Reggae spricht, ist ein Name unvermeidbar: Bob Marley.

Ich habe eine besondere Verbindung zu ihm. Ich besuchte sein Haus in Kingston. Das war für mich so inspirierend, dass mir klar wurde, dass auch ich so etwas erschaffen möchte. Einen Ort, an dem man Gemüse und Obst anbauen kann, ein kleines Studio im Hof und genug Platz, damit die ganze Band dort leben und sich auf die Musik konzentrieren kann. Ich verdanke Marley also sozusagen meinen heutigen Lebensstil.

Der letzte Song auf Ihrem Album heißt »Gratitude«. Wofür sind Sie dankbar?

Natürlich für meine Gesundheit. Aber vor allem auch für Zeit. Damit meine ich einerseits meine eigene Zeit und die Möglichkeit, frei darüber zu bestimmen: Will ich der Weiterentwicklung hinterherjagen und noch größere Berühmtheit anstreben oder möchte ich behutsam mit mir umgehen und mich um Freunde und Familie kümmern, die gerade Unterstützung brauchen? Andererseits meine ich aber ebenso die Zeit, die andere Menschen mir widmen. Wenn sich eine Person dazu entscheidet, ihre Zeit damit zu verbringen, sich meine Musik oder ein Konzert von mir im Internet anzuhören, dann schenkt sie mir ihre wertvollste Ressource.

Fazit: Dass Jason Mraz große Sympathien für Reggae hegt, ist kein Geheimnis. Trotzdem ist »Look For The Good« die erste Platte des Singer/Songwriters, auf der er ohne Ausnahme dem Sound aus Jamaika frönt. Dass er mit Michael Goldwasser einen erfahren Reggae-Produzenten an seiner Seite hatte, hört man. Die Songs auf » Look For The Good « kombinieren überzeugend das Beste aus beiden Welten und sind so gleichermaßen ein Genuss für alle Mraz-Fans wie für Reggae-Freunde.

Katharina Raskob