Musik
27.12. | Album der Woche
Kat Frankie • B O D I E S
Grönland Records · 6. Dezember
Foto: Cathleen Wolf
Weniger ist mehr
Mit »B O D I E S« verbindet Kat Frankie, gelernte Innenarchitektin, ihre beiden Leidenschaften. Mit ihrem A-Capella-Projekt gastiert die gebürtige Australierin demnächst in den schönsten Konzerthäusern Deutschlands. Von der Stimmgewalt des achtköpfigen Ensembles kann man sich vorab bereits auf der gleichnamigen Platte überzeugen.
Im letzten GALORE-Interviewerzählten Sie, dass Sie jeden Tag versuchen ein bisschen besser zu werden. Worin haben Sie zuletzt Fortschritte gemacht?
Wir sollten uns jedes Jahr zu einem Gespräch verabreden. Dann hat man ein konkretes Ziel vor Augen, weil man weiß, dass man Bericht erstatten muss. (lacht) Ich bin eine bessere Arrangeurin und Komponistin geworden. Für eine Band zu schreiben ist einfach. Aber für »B O D I E S« habe ich versucht, mich von den traditionellen Songstrukturen zu lösen. Wenn man nur Stimmen zur Verfügung hat, ist die Herausforderung größer. Ich habe dabei viel über Musiktheorie gelernt.
Ist weniger mehr?
Ja. Es war befreiend, sich von den Instrumenten zu trennen. Sobald man auf der Bühne etwas präsentiert, dass ein bisschen »anders« ist, hat man mehr künstlerischen Freiraum, weil die Leute keine Erwartungen mehr haben. Es ist großartig, wenn man Fans hat, die einem genug vertrauen, um Neuem eine Chance zu geben. Die ersten Songs des Konzerts fühlen sich wie eine Kommunikation mit dem Publikum an. Wir versichern ihm: Es ist okay, sich mit uns auf diese besondere Reise zu begeben.
Inwiefern unterscheidet sich aus Künstler:innensicht eine A-Capella-Performance von einer Bandshow?
Wenn man ein Instrument vor sich hat, fühlt man sich sicherer, deswegen ist es am Anfang sehr beängstigend. Vor allem, wenn die Konzerthallen imposant sind. Es fühlt sich wie eine Dreistigkeit an, diese großen Bühnen mit nichts als sich selbst zu betreten. So nach dem Motto: Wie kannst du es wagen, hier so nackt aufzutauchen?
Sind Sie vor einer A-Capella-Show nervöser?
Schon, weil man sich mehr auf seinen Körper verlassen muss. Man hofft, dass man genug trainiert hat und der Körper einen an den entscheidenden Stellen nicht im Stich lässt. Nervosität beeinflusst uns jedoch physisch, man spannt beispielsweise die Schultern an. Das kann sich negativ auswirken. Es ist deswegen ein größerer, mentaler Kampf. Wenn ich als Keyboardspielerin die Bühne betrete, muss ich mir keine Sorgen darum machen, dass mein Synthesizer nervös ist und sich deswegen anders anfühlt. (lacht)
Ist es schwieriger, Menschen mit wenig Equipment zu unterhalten?
Tatsächlich ist es einfacher. Das hätte ich am Anfang nicht gedacht. Aber A-Capella-Gesang versprüht eine Magie. Es ist die älteste Form von Musik. Sie existierte, bevor wir elektrische Gitarren oder Computerprogramme erfunden haben. Die menschliche Stimme gibt es seit Tausenden von Jahren. Es spielt keine Rolle, mit welcher Technologie wir sie versetzen, am Ende des Tages ist dein Lieblingssong eine Stimme, die zu dir singt. Das ist es, was das Herz berührt.
Ihr achtköpfiges Ensemble besteht nur aus Frauen. Warum?
Wegen der Vibes. Mit den meisten habe ich bereits zusammengearbeitet. In der Musikindustrie verbringt man zwangsläufig einen Großteil der Zeit mit Männern. Und ich dachte mir, es wäre doch großartig, nur mit Frauen zu touren. Acht Frauen auf einer Bühne ist in dieser Hinsicht ein starkes Statement.
Hat sich in den letzten Jahren in der Branche bezüglich der Gleichberechtigung der Geschlechter etwas getan?
Ich glaube nicht. Es ist immer noch dasselbe. Vielleicht ist es minimal besser geworden, weil das Bewusstsein für diese Ungerechtigkeit größer geworden ist. Wir Frauen sprechen mehr miteinander und versuchen uns gegenseitig besser zu unterstützen. Aber trotzdem bin ich nach wie vor so oft die einzige Frau im Backstagebereich eines Festivals.
Was müsste passieren, damit sich das ändert?
Ich denke, dass es einfach unglaublich viel Zeit braucht. Die Musikindustrie existiert seit Jahrhunderten und für die längste Zeit davon durften Frauen nicht mal ein Instrument erlernen. Das ist kein Problem, das über Nacht verschwindet. Ich kann während meiner Lebenszeit zu einer Verbesserung beitragen, aber die Situation wird sich kurzfristig nicht lösen lassen, sondern nur sehr, sehr langsam.
Kat Frankie
B O D I E S
Grönland Records • 06. Dezember
Wer Kat Frankie schon live erlebt hat, der hat vielleicht ein bestimmtes Highlight dieses Konzerts im Kopf. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es der Teil ist, bei dem Frankie die Instrumente verstummen lässt und gemeinsam mit ihrer Band »Please Don’t Give Me What I Want« als A-Capella-Version performt. Anlass genug, dieses Experiment auf ein ganzes Album auszuweiten. In Zeiten, wo andere Künstler auf Stimmverfremdung und große Produktion setzen, besinnt Frankie sich mit ihrem achtköpfigen Ensemble auf die ursprünglichste Form von Musik: A-Capella-Gesang. Es ist faszinierend, welche Varianz sich nur mit Stimmen erschaffen lässt. Während Songs wie »Carmen« oder »Wonder« wie ein warmes Kaminfeuer klingen, schwillt der mehrstimmige Gesang im Refrain von »How To Be Your Own Person« zu einer laustarken Proklamation an, der man sich nicht entziehen kann. Experiment geglückt!
Katharina Raskob