Literatur

27.04. | Buch der Woche

Miranda Cowley Heller • Der Papierpalast

Ullstein

Es könnte der Plot einer schmierigen Romcom aus den Neunzigern sein: Protagonistin Elle kann sich nicht entscheiden. Bleibt sie bei ihrem Mann Peter, dem britischen Finanz-Journalisten mit dem staubtrockenen Humor, mit dem sie eine Familie gegründet hat? Oder ist die Liebe zu Jonas stärker, dem grünäugigen Künstler, den sie seit ihrer Kindheit kennt, weil sie die Sommer gemeinsam auf Cape Cod verbracht haben? Zum Glück weicht die amerikanische Autorin Miranda Cowley Heller platten Klischees aus und erschafft stattdessen eine vielschichtige, intensive Geschichte über Selbstermächtigung und Schuld. Der Roman „Der Papierpalast“ entfaltet sich an einem Tag in den Back Woods von Cape Cod, der US-amerikanischen Ferieninsel, die gleichzeitig Heimat und Wendepunkt in Elles Leben ist. Von Cape Cod aus blickt sie zurück auf die letzten Jahrzehnte. Hier wird jedes Detail zum Symbol. Miranda Cowley Heller beschreibt den gewundenen Pfad der Protagonistin bis zu dem Punkt, an dem sie eine Entscheidung treffen muss: Gehen oder bleiben? Die Autorin bohrt sich tief in das erzählende Bewusstsein von Elle und fördert dabei Geheimnisse zutage, die die Charaktere immer wieder in ein neues Licht rücken. Der Star der Geschichte ist dabei jemand anders: Cowley Heller hat die Gabe, ihre Umgebung so natürlich und federleicht zu beschreiben, dass man sich als Leser unweigerlich die Frage stellt, ob es nicht viel eher um die Umwelt geht als um uns kleine, vergängliche Menschen.

Miranda Cowley Heller
Der Papierpalast

Ullstein, 448 Seiten

Elisabeth Krainer