Literatur

26.12. | Buch der Woche

Maria Adolfsson • Doggerland

MARIA ADOLFSSON

Doggerland. Fehltritt

Ullstein • 27. Dezember

Die Schwedin Maria Adolfsson legt mit „Doggerland. Fehltritt“ den Grundstein für eine neue Krimireihe. Damit ist sie in guter Gesellschaft, denn: Spannung aus dem hohen Norden hat eine lange Tradition.

Nicht nur Krimiliebhaber kennen ihre Pappenheimer aus Skandinavien: Henning Mankells „Wallander“ ist wohl der Urtyp des leicht verschrobenen Ermittlers mit dem richtigen Riecher, die Bestseller des verstorbenen Autors Stieg Larsson erreichten als Verfilmung der „Millenium-Triologie“ Millionen Menschen weltweit und die Werke von Håkan Nesser gehören mittlerweile zur Pflichtlektüre in schwedischen Schulen. Was die Kriminalromane aus Schweden, Norwegen, Finnland, Dänemark und zunehmend Island so beliebt macht, bleibt zu vermuten: Die oftmals dicken Wälzer stellen häufig eine Verbindung zwischen rätselhaften Mordfällen, den authentischen und vielschichtigen Ermittlerfiguren und der atmosphärischen Kälte der nordischen Landschaft her. Außerdem bedienen sie ein Format, das schon mit den Feuilletonromanen des 19. Jahrhunderts aufkam: die Serie. Das Wechselspiel aus Bekanntem und Neuem bietet eine Mischung aus wohliger Vertrautheit und gespanntem Entgegenfiebern. Nicht zuletzt brillieren viele skandinavische Autoren mit ausgefeilter Erzählkunst und nehmen dabei nicht selten auch sozialkritische und politische Themen in den Blick. Nimmt man dies als Erfolgsrezept für einen guten Krimi, hat Maria Adolfsson mit ihrem Debütroman „Doggerland“ alles richtig gemacht. Vor der Kulisse eines schwedischen Küstenstädtchens platziert sie ihre Geschichte um einen brutalen Mord: Die Ex-Frau des Oberkommissars wird erschlagen in ihrer Wohnung gefunden. Den Hintergrund des heimtückischen Überfalls entspinnt Adolfsson auf zwei Zeitebenen: Neben den Ermittlungen lässt sie kurze Rückblenden in das Leben einer ortsansässigen Hippie-Kommune der 70er-Jahre einfließen, die autonom auf einem abgelegenen Hof lebt und innerhalb der Kleinstadt nicht gerade auf Zuspruch stößt. Mit ihrer Kommissarin Karen Eiken Hornby stellt die schwedische Autorin dabei eine Frau an die Spitze der Ermittlungen, die Ecken und Kanten zeigt, mit messerscharfem Verstand ihre männlichen Kollegen in die Schranken weist und währenddessen immer wieder mit ihren eigenen Dämonen der Vergangenheit zu kämpfen hat. Nebenbei entwirft sie das soziologische Tableau der Kleinstadtbewohner. Vom obdachlosen Rockstar über den zurückgezogenen Rentner bis hin zum versnobten Millionärs-Erben finden zahlreiche Charaktere ihren Weg in die über 500 Seiten starke Jagd nach dem Mörder. Und die ist hochspannend: Von Zeuge zu Zeuge, über Beweisstücke und Motive hangelt sich das Ermittlerteam immer knapp am Täter vorbei und ist kurz davor aufzugeben – erst nach einem letzten Umschwung aller Vermutungen gibt es ganz zuletzt natürlich die außerordentlich befriedigende Auflösung der mörderischen Scharade. Nicht nur, aber ganz besonders im verregneten und kalten Winter lohnt sich das Abtauchen in den Nervenkitzel, den Adolfsson elegant in Worte kleidet. Nach der letzten Seite bleibt ein leichtes Schmachten nach mehr zurück – so soll es sein, denn der verwegenen Karen Eiken Hornby wird man in den Folgebänden der geplanten Doggerland-Trilogie wiederbegegnen. Marina Mucha