Musik

26.10. | Album der Woche

Tom Odell • Jubilee Road

JubileeRoadTom Odell • Jubilee Road

Sony • 26. Oktober

Voller Leben

Bei seinem dritten Album „Jubilee Road“ ließ der britische Sänger Tom Odell sich von der Londoner Straße inspirieren, in der er zuletzt gelebt hat.

Ihr neues Album „Jubilee Road“ ist inspiriert von der Londoner Straße, in der Sie gewohnt haben. Eine Recherche ergibt allerdings: Es gibt in London gar keine Jubilee Road.

(Lacht) Die Straße, in der ich lebte, hieß anders – aber ich machte von dort immer einen Spaziergang zum nächsten Park und an dessen Tor stand ein Schild mit der Aufschrift „Jubilee Gate“. Dieser Name gefiel mir.

Was macht die Gegend und die Menschen dort so besonders, dass Sie ihnen ein ganzes Album gewidmet haben?

Es ist eine sehr ruhige Ecke Londons, mit alten viktorianischen Reihenhäusern. Dort leben die unterschiedlichsten Menschen: jung und alt, aus allen möglichen Ländern. Leute, die schon ewig da sind und frisch zugezogene wie ich. Das hat mich inspiriert. Seit ich von Zuhause ausgezogen bin, hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass ich irgendwo hingehöre.

Erzählen Sie uns von Mr. Bouvier, dem alten Herren aus dem Titelsong des Albums?

Mr. Bouvier ist inspiriert von einem älteren Mann, der am unteren Ende der Straße lebt. Sein Haus ist komplett mit Blumen bewachsen und er wohnt da schon 40 oder 50 Jahre. Er wurde ein enger Freund und wir sehen uns immer noch regelmäßig. Er ist auch in dem Musikvideo zu meiner Single „If You Wanna Love Somebody“ zu sehen.

Welche anderen Charaktere aus der Jubilee Road schafften es auf Ihr Album?

„Son Of An Only Child“ entstand, als ich beobachtete, wie ein Pärchen von gegenüber Samstagabend ausging und der Babysitter kam. Das erinnerte mich daran, wie meine Eltern ausgingen, als ich klein war. Den letzten Song „Wedding Day“ schrieb ich über ein Paar aus meiner Straße, das heiratete. Ich kannte sie kaum, aber etwa zur gleichen Zeit heiratete meine Schwester. Zuvor war unsere Großmutter verstorben, sie stand uns sehr nahe. Der Song handelt nun davon, dass kurz vor der Hochzeit die Mutter stirbt. So war es bei vielen Songs: Alles war plötzlich verbandelt, Realität und Fiktion vermischten sich.

Das heißt im Grunde handelt „Jubilee Road“ auch von Ihnen?

Ja, viele Erinnerungen und Gefühle, die in mir schlummerten, kamen beim Schreiben hoch. Es ist ein sehr ehrliches Album. Und gleichzeitig handelt es von all diesen Menschen in dieser Straße in London. Ich habe gelernt, dass es direkt vor der Haustür tolle Geschichten gibt. Das ist so wundervoll an Städten: Sie sind voller Leben. Voll mit Geschichten und Menschen, die ihre kleinen Abenteuer erleben.

Interview: Nadine Wenzlick

Fazit: Klang Tom Odells letztes Album noch ausproduzierter, konzentriert er sich dieses Mal auf das, was er am besten kann: Großartige Klaviermelodien, auf die Elton John neidisch wäre, schmückt er mit opulenten Arrangements und vielschichtigen Chören. Entstanden ist „Jubilee Road“ in Tom Odells Wohnzimmer – und wer genau hinhört, kann laut Odell den Fernseher des alten Mannes von nebenan oder die Kinder, die auf der Straße Fußball spielen, erahnen.