Musik

26.08. | Album der Woche

Max Richter • The New Four Seasons

Deutsche Grammophon

26.08. | Album der Woche - Max Richter • The New Four Seasons

Frühling auf Lebenszeit

Max Richter vereint Vergangenheit und Moderne. „The New Four Seasons“ überzeugt als Rekomposition von Vivaldis Klassiker mitsamt dessen historischer Klangpalette.

Max Richter, mögen Sie Jahreszeiten?
Ich liebe sie! Das ist einer der Gründe, warum ich nie in Los Angeles leben könnte. Die Veränderung des Wetters bewirkt etwas in mir.

Haben Sie eine Lieblingsjahreszeit?
Ich mag die Intensität des Winters. Die Dunkelheit weckt bei vielen negative Assoziationen, aber für mich ist es eine Zeit der Ruhe und Konzentration. Man kann extrem gut arbeiten. Umso schöner ist es, wenn im Frühling die Sonne zurückkommt und man die eigenen Werke in ihrem Licht sieht. Ich erinnere mich gerade nicht genau an den Namen, aber es war einer dieser Kritiker des späten 19. Jahrhunderts, der sinngemäß meinte, dass es keine italienischen Sinfonien gäbe, weil das Wetter dort zu gut sei. (lacht)

In welcher Jahreszeit Ihres Lebens befinden Sie sich gerade?
Ich fühle mich immer noch so, wie ich mich als Kind gefühlt habe. Das ist eines der größten Privilegien, die man als Künstler hat. In gewisser Weise dürfen wir diese Verspieltheit mit ins Erwachsenenleben nehmen. Daher befinde ich mich wohl dauerhaft im Frühling.

Sie probieren gerne etwas Neues. Ernten Sie dafür auch harsche Reaktionen?
Natürlich. Das passiert mir manchmal mit Orchestern, denn die Musiker*innen dürfen nicht selbst entscheiden, welche Stücke sie spielen. Sie werden ihnen vorgesetzt. Wenn dann die Sympathie für die Musik fehlt, kann das eine sehr deprimierende Erfahrung für alle Beteiligten werden. Vor einiger Zeit hatte ich mit meiner Partnerin Yulia Mahr ein Festival geplant und neben Stücken von Charles Ives auch eines meiner Werke ausgewählt. Das Orchester stand meinem Stück wahrnehmbar ablehnend gegenüber und hat es wirklich schlecht gespielt.

Wie gehen Sie mit so einer Situation um?
Natürlich ist das hart. Aber ich fand die Situation auch unglaublich ironisch. Denn die Werke von Ives wurden zu seinen Lebzeiten kaum aufgeführt, und er wurde ebenfalls von den Orchestern verspottet. Was damals neue Musik war, die alle genervt hat, wird jetzt so selbstverständlich gespielt wie Brahms. Es gehört zum Prozess des kreativen Schaffens, dass man auf Ablehnung stößt. Wenn man versucht, etwas zu machen, das so noch nicht existiert oder wenn man eine andere Geschichte erzählt, ist es normal, dass die Leute zunächst an Gewohntem festhalten wollen. Wenn man nicht von Zeit zu Zeit auf Widerstand stößt, dann geht man nicht nah genug an die Grenzen.

Max Richter
The New Four Seasons

Deutsche Grammophon, 10. Juni
Vor zehn Jahre wagte Max Richter sich erstmals daran, Vivaldis „Die vier Jahreszeiten“ neu zu komponieren und dem Werk so seinen ursprünglichen Zauber zurückzugeben, den es Richters Ansicht nach durch die inflationäre Verwendung verloren hatte. Auf „The New Four Season“ lässt der Brite seine Rekomposition auf historischen Instrumenten erklingen. Aus der Verwendung der traditionellen Darmsaiten und der leichteren Bögen resultiert ein weniger kraftvoller Klang, der im Gegenzug direkter ist und mehr Raum für Agilität und feinere Dynamiknuancen schafft.


Foto: Jennifer McCord

Katharina Raskob