Musik

26.06. | Album der Woche

Nadine Shah • Kitchen Sink

Infectious Music/BMG/Warner · 26. Juni

Foto: Fraser Taylor

Nach eigenen Regeln

Mit 20 sang Nadine Shah klassischen Jazz in Restaurants, fühlte sich jedoch bald zu jung für das Songbook von Cole Porter und sattelte auf innovativen Pop um.

Miss Shah, im Video zu Ihrer Single »Ladies For Babies (Goats For Love)« veranstalten Sie eine Party mit lauter seltsamem Essen. Ein Käseigel ist da noch vergleichsweise harmlos. Haben Sie das Zeug nachher aufgegessen?

Teils, teils. Das Meiste schmeckte wirklich fies. Wir wollten eine Dinnerparty aus den 70ern nachstellen, und damals standen die Leute voll auf Essen, das wie anderes Essen aussieht. Also zum Beispiel ein Fisch, der aber eine Süßspeise ist, mit einer Ananas innendrin.

Hat der Clip auch einen tieferen Sinn?

Hat er. Das komplette Album beschäftigt sich mit Themen wie Tradition, Sexismus und Frauenfeindlichkeit. Ich wollte in dem Video eine Frau zeigen, die als einziges Ventil für ihre Kreativität die Zubereitung von Nahrung hat und die zugleich im Begriff ist, wahnsinnig zu werden. Es hat sich eine Menge verbessert in puncto Gleichberechtigung, aber noch längst nicht genug. Wo sind zum Beispiel die älteren weiblichen Stimmen in der Popmusik? Wir haben so viele hinreißende reife Herren, aber bei den Frauen klafft eine Riesenlücke.

Gehört das beeindruckende Haus, in dem Sie gedreht haben, Ihnen?

Nein, nein. Ich wohne mit meinem Freund gerade in Ramsgate, das liegt ungefähr eine Zugstunde östlich von London am Meer. Wir sind seit einem Jahr zusammen und waren gerade so in der Überlegungsphase, ob wir wohl schon bereit für eine gemeinsame Wohnung sind. Dann kam der Lockdown und wir mussten zusammenziehen, wenn wir nicht vereinsamen und verzweifeln wollten. Aber es läuft super mit uns.

In »Trad« fordern Sie Ihren Freund ja auch schon auf, um Ihre Hand anzuhalten.

(lacht) Als ich »Trad« schrieb, kannte ich meinen Freund noch gar nicht! In dem Song geht es um den Konflikt, Feministin zu sein und sich doch nach gewissen Traditionen wie der Ehe zu sehnen. Ich wäre gerne verheiratet, allerdings nach meinen eigenen Regeln. Ich würde niemals meinen Namen abgeben und auch um nichts in der Welt » gehorchen «, wie es in einem dieser archaischen Trauschwüre heißt.

»Kitchen Sink« ist Ihr viertes Album. Alle wurden von Ben Hillier produziert, der sonst mit Bands wie Blur oder Depeche Mode arbeitet. Können Sie ihn sich noch leisten?

Ich zahle ihm einfach nicht so viel wie die anderen. (lacht) Ben ist zum Glück ein guter Freund. Er spielt auch in meiner Band Schlagzeug, wir stehen auf die gleiche Musik. Mit niemandem sonst könnte ich im Studio so viel Spaß haben.

Fazit:

Der Vater kommt aus Pakistan, die englische Mutter hat norwegische Wurzeln. Bei den Shahs zu Hause wurde Musik aus aller Welt goutiert. Und so deckt Nadine mit ihrem unberechenbaren, von World Music beeinflussten Stil, den man am ehesten mit dem von Kolleginnen wie Roisin Murphy, Bat For Lashes oder Anna Calvi vergleichen kann, ein wirklich breites Spektrum ab. Darin tummeln sich melodiestarke, dramatische Pop-Songs, gekrönt von einer geradezu einnehmenden Stimme.

Steffen Rüth