Literatur
26.03. | Buch der Woche
Olivier Mannoni • Hitler übersetzen
HarperCollins
Olivier Mannoni
Hitler übersetzen
übersetzt von Nicola Denis
HarperCollins, 160 Seiten, 22,00 €
Als 2015 die Urheberrechte an Hitlers Pamphlet »Mein Kampf« erloschen, entschied der französische Verlag Fayard, eine eigene kritische Ausgabe mit historischem Apparat herauszubringen. Olivier Mannoni, der bereits zahlreiche andere Quelltexte von Nazi-Verbrechern ins Französische übertragen hatte, erhielt den Übersetzungsauftrag. In diesem Essay zeichnet der Franzose die Debatten um diese kritische Ausgabe nach und legt offen, wie er als Übersetzer Hitlers Sprache dechiffriert und im Anschluss vier Jahre lang an dem wissenschaftlichen Projekt »Historiciser Le Mal« zur kritischen Ausgabe mitgearbeitet hat. Dabei zeigt er an Einzelbeispielen auch auf, wie sinnentleert und manipulierend Hitlers Duktus war. Es handele sich um eine Sprache, »die für einen und von einem mörderischen Totalitarismus geprägt wurde« und die gleichermaßen Ausgang wie Ausdruck eines kolossalen Verbrechens ist. Dies herauszuarbeiten, war Mannoni wichtig. »Möglichst dicht am Chaos bleiben. Nicht mehr übersetzen, sondern übertragen. Mein Kampf wieder hitlerisieren«, zitiert er aus einem Porträt, das in Le Monde über ihn erschienen war. Mit Blick auf die Gegenwart zeigt der Übersetzer, dass die obskuren Leitmotive der neuen Rechten einen besorgniserregenden Nachhall auf Hitlers Text darstellen. Die generelle Verworrenheit des politischen Diskurses sei kein Zufall, sondern Strategie. Denn mit der Sprache gerate auch die Demokratie aus den Fugen. Denn »die extreme Vereinfachung des Diskurses ist der sicherste Weg zur Gewalt.«
Thomas Hummitzsch