Musik

26.02. | Album der Woche

Anna Erhard • Short Cut

The Orchard

Keine Abkürzung ins Glück

Mit ihrem Solodebüt "Short Cut" wagt Anna Erhard, vormals Sängerin der Basler Indie-Band Serafyn, einen Neuanfang abseits der gewohnten Muster.

Anna Erhard, vor rund einem Jahr sind Sie von Basel nach Berlin gezogen. Worin unterscheiden sich die beiden Städte?
In Basel gibt es eine starke Gemeinschaft. Das ist angenehm und ich war gut eingebettet. Aber deswegen ist es in der Stadt auch nicht so wild, und es geschehen weniger unerwartete Dinge. An Berlin gefällt mir, dass hier alle möglichen Lebensweisen sichtbar sind. Ich muss gar nicht überall mitmachen, aber in einer Stadt zu leben, in der mir diese Möglichkeiten begegnen, fühlt sich für mich sehr befreiend an.

Wie hat sich der Ortswechsel auf Ihre Musik ausgewirkt?
Ich denke, die Erfahrungen, die mit dem Ortswechsel einhergingen, haben sich vor allem in den Texten verfestigt. Immer wenn ich etwas Loslassen kann, dann schreibe ich einen Song. Ich hatte in den letzten zwei Jahren auch viel Zeit mich musikalisch auszuprobieren und zu merken, was eigentlich noch übrigbleibt, wenn die Band wegfällt. Manchmal dachte ich: Ganz schön wenig. Aber dieses Wenige wurde dafür umso klarer und stärker.

Trotz Ihres musikalischen Neuanfangs ist Produzent Pola Roy geblieben. Warum haben Sie sich dazu entschlossen wieder mit ihm zusammenzuarbeiten?
Das war für mich völlig klar – unsere Zusammenarbeit war einer der Gründe, weshalb ich nach Berlin gezogen bin. Ich denke manchmal darüber nach, wie selten ich doch auf jemanden treffe, dem ich wirklich voll vertraue. Für die Arbeit mit einem Produzenten empfinde ich das als genauso wichtig wie in anderen Beziehungen. Er ist ein Ruhepol – ich hingegen fange meist irgendwann an, ungeduldig und ungenau zu werden.

Das Video zu "Short Cut" wurde in der Schweiz gedreht, in dem Dorf, aus dem Ihre Oma stammt. Woher kam die Idee?
Video-Regisseur Moritz Freiburghaus und ich sprachen darüber, dass es doch der größte „Short Cut“ wäre, wenn man die mittlere, ach so anstrengende Lebensphase überspringen und – batz – direkt im Rentenalter landen könnte. Ich fand die Idee sehr komisch, da ich mir nicht vorstellen kann, wie dieses Rentnerleben eigentlich aussehen sollte. Wahrscheinlich würde man an einem idyllischen Ort wie diesem Schweizer Dorf leben und nichts tun. Solche romantischen Ideen verfolgen uns überallhin – als ob man alles haben könnte, ohne auch die negativen Aspekte, die damit einhergehen, wirklich zu akzeptieren. Wir wünschen uns an den Strand, in die Berge, wohin auch immer, und da soll dann alles auf einmal ganz einfach werden. Diese Abkürzungen gibt es nicht.

Foto: Greta Attinger


Anna Erhard
Short Cut

The Orchard

Fazit
Nach ihrem Abschied von Band und Heimatstadt veröffentlicht die 30-jährige Wahlberlinerin Anna Erhard ihr Solodebüt, produziert von Wir sind Helden-Schlagzeuger Pola Roy, der bereits bei Serafyn an den Reglern saß. Der verträumte Indie-Pop von „Short Cut“ klingt entsprechend vertraut, persönlicher allerdings die Texte, denen man die neugewonnene Unabhängigkeit anmerkt. Skizzenhaft oft, an fragmentierte Tagebucheinträge erinnernd, haben sie die stete Veränderung zum zentralen Thema.

Jonas Silbermann-Schön, Benedikt Ferstl