Literatur
25.09. | Buch der Woche
Olga Grjasnowa • Juli, August, September
Hanser BerlinOlga Grjasnowa
Juli, August, September
Hanser Berlin / 224 Seiten / 24,00 €
Im Mittelpunkt von Olga Grjasnowas grandiosen neuen Roman „Juli, August, September“ steht Lou; eine ebenso tiefgründige wie komplex-erzählte Figur, die augenscheinlich ein Leben zwischen den Welten führt – und sich auf eine Reise zu ihren Wurzeln begibt. Ihre Hoffnung? Sich selbst finden; auf den Spuren ihrer Familie. So konfrontiert Grjasnowa ihre Leser:innen gleich zu Beginn mit den alltäglichen Irrungen und Wirrungen, die ihrer Hauptfigur auf 242 Seiten begegnen, und liefert eine Bestandsaufnahme von Lous Ehe mit Sergej. Ein Pianist, dessen Jüdisch-Sein zwar die gemeinsame Schnittstelle des Paares bildet – eine gute Partie, wie Lous Mutter feststellt – , aber augenscheinlich nicht ausreicht, um ihrer Tochter Rosa ein traditionelles jüdisches Leben näherzubringen. Diese mal überspitzte, mal sentimentale Darstellung der Diskrepanz zwischen Zugehörigkeit und gelebter Kultur, bildet den roten Faden des Romans und mündet in einer Familienzusammenkunft auf Gran Canaria. Dort trifft Lou auf ihre ex-sowjetische Verwandtschaft, die sich zwar durch gemeinsame Herkunft und Geschichte verbunden fühlt, jedoch in wechselseitiger Missgunst gefangen scheint – und in der sich dysfunktionale Familiendynamiken auf ebenso tragische wie skurrile Art und Weise manifestieren. Diese familiären Verstrickungen legt Grjasnowa mit Präzision offen und präsentiert zugleich eine fesselnde und kluge Reflexion über Identitätsfragen und über die Komplexität des Lebens; ein Leben, das im Aufbruch begriffen ist.