Kino
24.09. | Kinostart der Woche
Entertainment One · 24. SeptemberDAVID COPPERFIELD –
EINMAL REICHTUM UND
ZURÜCK
Entertainment One • 24. September
Die Bildungskomödie
Humor-Experte Armando Iannucci hat den Bildungsroman-Klassiker »David Copperfield« von Charles Dickens neu verfilmt – als flotte Komödie.
Mr. Iannucci, Sie sind bekannt für Ihre absurd-
bösen Politkomödien. Was hat Sie nun
zu Charles Dickens geführt?
Ich verehre kaum einen Autor so wie Dickens
– und das eigentlich schon, seit ich als Teenager
mit dem Lesen begann. Außerdem war
er unglaublich witzig. Das vergessen die Leute
oft und assoziieren seine Werke mit Düsternis,
Armut und Elend. Aber wenn er wollte, hatten
seine Bücher bemerkenswert viel Humor.
Für mich ist »David Copperfield« deswegen
weniger eine Abkehr von bisherigen Arbeiten,
vielmehr eine Art Heimkehr zu jemandem,
der mich mein Leben lang begleitet.
Manchen »Veep«-Fan dürfte der Film
irritieren...
Sicher, ich habe dieses Mal bewusst deutlich
familienfreundlicher gearbeitet. Geflucht wird
nicht. Trotzdem gibt es Parallelen, das große
Ensemble etwa oder die rasanten Dialoge.
In bisherigen Verfilmungen des Romans war
der Protagonist stets weiß, bei Ihnen wird er
von Dev Patel gespielt. Sorgt eine solche Casting-
Entscheidung noch für Kontroversen?
Zum Glück längst nicht mehr so sehr, wie
man denken würde. Und wenn, dann regen
sich meist Leute auf, die den Film noch gar
nicht gesehen haben. Für mich war die Besetzung
einer der Wege, das Moderne, auch heute noch Relevante dieser wunderbaren
Geschichte zu betonen. Außerdem fiel mir
einfach niemand ein, der besser für die Rolle
geeignet war als Dev!
Ihre jüngsten Projekte waren in der Vergangenheit
oder – wie die Serie »Avenue 5« – in
der Zukunft angesiedelt. Zufall?
Auf jeden Fall hatte ich nach zehn Jahren der
im Hier und Jetzt verankerten Politsatiren mal
Lust auf etwas anderes. Außerdem wird unsere
Gegenwart immer surrealer! Alle bekannten
Konventionen und Regeln scheinen nicht
mehr zu gelten – wenn ich mir etwa Trump
anschaue. Die alte Normalität ist inzwischen
so weit weg, dass ich eigentlich nur noch sinnvoll
über unsere Welt erzählen kann, wenn ich
mich einer anderen Zeit oder Welt bediene.
Einen Film als Regisseur oder eine Serie als
Showrunner verantworten – sind das eigentlich
vergleichbare Aufgaben?
Ich mag beide, aber die Unterschiede sind groß.
Als Showrunner ist man zwar nicht unkreativ,
aber letztlich doch viel mehr Manager. Da geht
es um die Logistik, darum, zehn Drehbücher
und zahllose Figuren im Blick zu behalten und
dafür zu sorgen, dass verschiedene Regisseure
deiner Vision folgen. Beim Film gibt’s weniger
Variablen, dafür auch mehr Ungewissheiten.
FAZIT: Die schwarzhumorige Abgründigkeit von »Kabinett außer Kontrolle« oder »The Death of Stalin« weicht in Iannuccis Verneigung vor Charles Dickens einer verspielten Exzentrik. Das gelingt bemerkenswert gut, visuell prächtig und vor allem höchst kurzweilig – auch dank des Ensembles, zu dem neben Dev Patel auch Tilda Swinton, Ben Whishaw und Hugh Laurie gehören.
Patrick Heidmann