Musik

24.09. | Album der Woche

Gisbert zu Knyphausen & Kai Schumacher • Lass irre Hunde heulen

Neue Meister

Foto: Joachim Gern


Kunstlied 2.0

Pianist Kai Schumacher und Sänger Gisbert zu Knyphausen interpretieren auf ihrem Album „Lass irre Hunde heulen“ Kunstlieder von Franz Schubert.

Kunstlied ohne Frack und Zwirn, ohne operettenhaftes Geknödel und sogar ohne jegliches Pathos. Auf ihrem ersten gemeinsamen Album „Lass irre Hunde heulen“ verarbeiten Pianist Kai Schumacher und Sänger Gisbert zu Knyphausen zehn Franz-Schubert-Stücke –?zeitgemäß und ohne jeden Anspruch auf Werktreue. Zum Arrangement gehört –?neben Klavier und Gesang –?ein komplettes Band-Outfit, inklusive Geigen und Posaune. Resultat: Eine verwegene, gleichzeitig faszinierende Mixtur aus Klassik, Rock, Folk und Jazz –?und damit ein nur schwer einem Genre zuzuordnendes Gebräu. „Stimmt, doch um Kategorisierungen habe ich mich noch nie so richtig gekümmert“, bekennt Kai Schumacher, Initiator des Projekts, im Gespräch und fügt hinzu: „Ich hoffe nur, dass man uns nicht in die Crossover-Schublade steckt.“ Wohin denn dann? Etwa in die Singer/Songwriter-Abteilung? Immerhin schrieb der große österreichische Komponist in seinem kurzen, nur 31 Jahre dauernden Leben rund 600 Lieder.

„So falsch würde man damit gar nicht liegen“, meint Schumacher, „Schubert war ja in der Übergangszeit zwischen Klassik und Romantik als freischaffender Künstler tätig, der ungebunden bleiben und nicht bei Fürsten angestellt sein wollte.“ Er sei ein Freigeist gewesen, der Lieder von zeitloser Qualität schrieb. Auch weil er für seine häufig in düsteres Moll gehaltenen Klänge ein zeitloses Thema wählte. Natürlich: die Liebe. In seinen hoffnungslos romantischen Harmonien offenbarte sich ein tadelloser Schmerzensmann, der schon lange vor der Erfindung des Zwölftakt-Schemas den Blues hatte – für Gisbert zu Knyphausen ist er damit ein historischer Vorgänger für so manchen Schwermut-Experten von heute: „Ich sehe da Parallelen zu Künstlern wie Tom Waits und Nick Cave. Oder – wenn es um die Schönheit und Reinheit der Sprache geht – in den Songs von Tocotronic.“ Wie gut die aufgefrischten Kunstlieder von Schumacher und zu Knyphausen ankommen, ließ sich schon bei mehreren Auftritten feststellen. „Das hat unglaublichen Spaß gemacht“, sagt Schumacher, „wir haben die Lieder mit richtig großem Ensemble gespielt und hatten so die Möglichkeit, diese große Palette an Emotionen auszudrücken.“ Mehrere weitere Auftritte sind geplant. Vielleicht sogar eine Fortsetzung des Projekts? „Wir beide haben ja auch noch unsere Solo-Projekte“, sagt zu Knyphausen, „aber das Thema ist absolut zeitlos. Das können wir immer wieder auf die Bühne bringen.“

Kai Schumacher und Gisbert zu Knyphausen
Lass irre Hunde heulen

Neue Meister, 10. September

Wenn sich der eher dem zeitgemäßen Klavier-Repertoire verpflichtete Pianist Kai Schumacher und Liedermacher Gisbert zu Knyphausen an die Kunstlieder von Franz Schubert machen, hätte das zum Clash der Kulturen werden können. Lieder aus dem frühen 19. Jahrhundert mit überholter Sprache und Harmonieverbindungen, die für Pop-verhätschelte Ohren exotisch klingen dürften. Doch sieh an: eines fügt sich zum anderen. Geschmeidig, aufregend, in keine Stil-Schublade passend – und dazu: erstaunlich aktuell.

Gunther Matejka