Musik

24.05. | Album der Woche

Morrissey • California Sun

MorrisseyMORRISSEY

California Sun

BMG • 24. Mai Als selbsternanntes Sprachrohr des Nonkonformismus hatte sich Morrissey zuletzt in die rechte Ecke gemalt. Raus will er mit Covern aufrechter Kollegen.

Der Legendenstatus hatte in letzter Zeit ernsthaft gelitten. Steven Patrick Morrissey, ein Mann, der auch dafür geliebt wird, dass er so gut mit Worten umgehen kann, hatte schon immer exklusivere Meinungen zu Themen wie militantem Tierschutz und selbstdefiniertem Patriotismus. Seine Einlassungen zu Flüchtlingsdebatte und Ukip-Programm ließen sich allerdings nicht mehr als Exzentrik auslegen, sondern klangen nur noch nach einem rotgesichtigen Meckeropa aus den Tiefen des Internets. Selbst Fans, die den Sänger als sensiblen Charmeur kennengelernt und ihm lange die Stange gehalten hatten, empfanden plötzlich keine Lust mehr auf die Paranoia und das peinliche Presse-Bashing im Nachgang zum letzten Album » Low in High-Shool «. Seitdem herrschte Funkstille, aber ob so etwas wie Einsicht zu den Talenten des 59-Jährigen zählt, wird sich noch zeigen müssen, schließlich hat er lange genug die Rolle des antiautoritären Rebellen kultiviert. Dass dieses Image auch noch sitzt, wenn die Texte aus der Feder fremder Komponisten kommen, macht » California Son « gleich zu Anfang klar. » A rebel needs a cause «, heißt es da, und wenig später: » Do what’s right or do what you’re told «. Tim Hardin, Phil Ochs und Bob Dylan in seiner Protestsongphase sind nur drei der Künstler, mit denen Morrissey eine Geistesverwandtschaft beschwört, wenn es um die korrekte Haltung geht. Dass die ausgewählten Songs praktisch alle den Sechziger und frühen Siebziger Jahren entstammen, mag auf die Sehnsucht nach simpleren Zeiten zurückzuführen sein oder einfach nur auf die Periode, die Morrisseys musikalische Sozialisation prägte. In Gestalt von Melanie, Joni Mitchell und Buffy Sainte-Marie ist viel Folk dabei, in anderen Momenten gerade genug Glamour für die hedonistische Seite des Egos. Dabei meistert der Sänger selbst Songs in Übergröße. Roy Orbisons opulentes » It’s Over « kann man eigentlich nur fehlinterpretieren, doch Morrissey wirft sich kopfüber ins Drama und verhindert den Frevel. Das beste Stück kommt gleich am Anfang. » Morning Starship « ist ein Titel des früh verglühten Glam-Rock-Stars Jobriath und klingt zugleich extravagant und zärtlich. Morrissey hatte den 1983 an AIDS verstorbenen Musiker schon immer bewundert und ihm vor einigen Jahren bereits eine CD-Retrospektive spendiert. Wer sich vom grellen Albumcover nicht abschrecken lässt, begegnet auf » California Son « den guten Geistern des kontroversen Sängers. Markus Hockenbrink