Kino
24.04. | Kinostart der Woche
Klandestin
Foto: CALA film / farbfilmverleih
Dreidimensional
Mit der Komödie »Kommt Maus raus?!« begann Angelina Maccarone ihre Karriere, mit preisgekrönten Filmen wie »Fremde Haut« oder »Verfolgt« wurde sie dann endgültig zu einer der spannendsten deutschen Regisseurinnen. Nach langen Jahren, in denen sie sich vor allem auf ihre Arbeit als Professorin konzentrierte, meldet sie sich nun mit »Klandestin« zurück.
Angelina Maccarone, bereits 2017 haben Sie für »Klandestin« den Deutschen Drehbuchpreis erhalten. Erst jetzt kommt der Film in die Kinos. Warum dauerte es so lange, bis dieses Projekt umgesetzt wurde?
Das habe ich mich auch oft gefragt, und den Produzentinnen ging es sicherlich genauso. Ich vermute, dass die Herausforderung eine ähnliche war wie auch schon vor 20 Jahren bei meinem Film »Fremde Haut«. Da wurde ich oft gefragt: »Eine Geflüchtetengeschichte und queer – muss es wirklich beides sein?« Dabei ist »Klandestin« in erster Linie kein Film über Geflüchtete. Mir geht es um andere Aspekte, aber es kommt eben jemand vor, der seine Heimat Marokko verlässt und illegalisiert nach Europa kommt. Da ist das Label schnell zur Hand. Spätestens seit der großen Fluchtbewegung 2015 und dem Rechtsruck überall auf der Welt ist dieses Thema für viele Menschen ja sehr aufgeladen.
Mussten Sie das politisch sehr aufgeladene Drehbuch über die Jahre an aktuelle Begebenheiten anpassen?
Die Idee für diese Geschichte hatte ich schon eine ganze Weile, noch vor der großen Fluchtbewegung 2015. Eine der vier Hauptfiguren ist eine Politikerin. Seither hat uns die Realität an vielen Stellen eingeholt. Ursprünglich sollte der Film zum Beispiel im Europaparlament in Brüssel spielen, mit einer britischen Abgeordneten im Zentrum. Dann kam der Brexit, deswegen geht es nun um eine Europa-Beauftragte in Frankfurt. Allerdings ging es mir von vornherein nicht darum, einen Film über das tagespolitische Geschehen zu drehen, sondern die emotionale und menschliche Seite davon zu beleuchten. Und die ist durchgängig gleichgeblieben. Anpassen musste ich also vor allem die Welt, in der die Protagonist:innen agieren. An vielen Stellen wurde ich in meiner Vorstellung auch einfach bestätigt. Als ich zum Beispiel damals etwas über diese Pushbacks an den Grenzen schrieb, war es eigentlich nur eine krasse Vermutung, dass es diese Praxis geben könnte. Inzwischen wissen wir leider, dass das längst Normalität ist.
Besagte Europa-Beauftragte ist, wie eigentlich alle Figuren in Ihrem Film, keine reine Sympathieträgerin ...
Stimmt, das hätte ich eben auch noch anführen können bei den Schwierigkeiten, die »Klandestin« in der Finanzierung hatte. Denn tatsächlich erwarten die meisten Leute beim Lesen eines Drehbuchs die klassische männliche Heldenreise. Vielleicht auch hin und wieder mal eine Heldinnenreise. Da ist dann eine Geschichte, in der die Figuren nicht durchgehend sympathisch sind – noch dazu, wenn sie nicht chronologisch und linear erzählt wird – natürlich eine Herausforderung. Aber mir ist es eben wichtig, Menschen in all ihren Facetten abzubilden. Wahrhaftigkeit ist ein großes Wort, doch tatsächlich versuche ich, ein echtes, dreidimensionales Bild zu zeichnen, statt eindimensionale Figuren zu zeigen. Dazu gehört dann auch, eine konservative Politikerin zu erzählen, die verletzlich ist und mit ihren inneren Widersprüchen kämpft. Es war mir wichtig, dass diese Frau nicht weichgespült wird, sondern krasse Positionen in den Raum stellt, die uns leider inzwischen täglich begegnen. Auch um diesen im Film inhaltlich oder emotional etwas entgegnen zu können.
Klandestin
2 Std. 4 Min
Patrick Heidmann