Kino

24.02. | Kinostarts der Woche

Foto: Paramount


King Richard
Paramount, 24. Februar


Belfast
Universal Pictures, 24. Februar


Die Vaterrolle

In „King Richard“, mitproduziert von den Williams-Schwestern, geht es um den Vater der Tennis-Superstars, den niemand anderes verkörpert als Will Smith.

Mr. Smith, was reizte Sie an der Rolle des Richard Williams, der seine Töchter von klein auf zu Tennis-Profis erzog?
Dieser Mann hat früh Eindruck bei mir hinterlassen. Ich erinnere mich noch sehr gut an ein Interview mit ihm, das ich damals live im Fernsehen sah und das für Aufsehen sorgte, weil Richard den Reporter ziemlich anblaffte. Venus muss damals 13 oder 14 Jahre alt gewesen sein, und der Blick, mit dem sie ihren Vater ansah, hat sich mir tief ins Herz gebrannt. Das veränderte die Art und Weise, wie ich mich selbst als Vater sah. Auf die gleiche Weise wollte ich meine Kinder beschützen – und dafür auch so angeschaut werden. Als nun das Drehbuch auf meinem Tisch landete, fiel mir diese Szene sofort wieder ein und ich sagte praktisch umgehend zu.

Was zeichnete Richard noch als Vater aus?
Gleich in unserem ersten Gespräch berichtete mir Venus, dass die schlimmste Bestrafung für sie und Serena früher war, dass sie kein Tennis spielen durften. Klassisch hätte man wahrscheinlich erwartet, dass Eltern erst recht mit einer zusätzlichen Stunde Training drohen würden. Aber Richard erkannte das Feuer, das in seinen Töchtern loderte – und goss dann noch Öl darauf.

Er war aber auch alles andere als ein Heiliger!
Das war er definitiv nicht. Aber seine Erziehungsmethode fand ich spannend, sie erschien mir neu und geradezu magisch. Ich bin damit aufgewachsen, dass Eltern ihren Kindern Vorgaben machen und diese sich daran zu orientieren haben, welcher Weg ihnen aufgezeigt wird. Richard dagegen hat Venus und Serena nicht in eine bestimmte Richtung gedrängt, sondern sich ihnen angepasst. Den Weg vorgegeben haben sie selbst, begangen wurde er gemeinsam.

Übernehmen Sie beim Dreh eigentlich auch eine Art Vaterrolle, wenn Sie wie in diesem Fall mit jungen Kolleginnen arbeiten?
Nicht nur dann, sondern immer. Wenn ich einen Film auf meinen Schultern trage und auch noch Produzent bin, dann empfinde ich eine Verantwortung für das Ensemble und die Crew. Das ist dann meine Familie. In einem Fall wie „King Richard“ gilt das natürlich ganz besonders. Bei diesem Film haben mich meine Filmtöchter Saniyya Sidney und Demi Singleton verdammt stolz gemacht. Allein wie sie die Herausforderung gemeistert haben, so Tennis zu spielen wie zwei der größten Spielerinnen aller Zeiten. Ich weiß, wie überwältigend so eine Aufgabe sein kann, schließlich habe ich mal Muhammad Ali verkörpert.

Fazit
Die Erfolgsgeschichte der Williams-Schwestern, die es bereits als Teenager von ganz unten bis an die Spitze der Tenniswelt schafften, ist so spannend, dass selbst der Fokus auf ihren Vater Richard der Faszination keinen Abbruch tut. Das liegt allerdings auch daran, dass Regisseur Reinaldo Marcus Green diese Ehrgeiz- und Aufstiegs-Story mit unerwartet vielen Nuancen erzählt – und Will Smith zu ganz großer Form aufläuft. Mindestens genauso groß: Aunjanue Ellis als Ehefrau Brandy.


Abstand vom Lockdown

Als sich 1969 der Nordirlandkonflikt verschärft und gewalttätige Unruhen in den Straßen ausbrechen, ist Kenneth Branagh gerade einmal neun Jahre alt. Mit „Belfast“ hat der Regisseur einen Film über jene prägenden Erfahrungen gedreht, in deren Folge seine protestantische Arbeiterklassen-Familie der Heimat den Rücken kehrte.

Mr. Branagh, man kennt Sie normalerweise als Shakespeare-Experte und Blockbuster-Regisseur. Warum nehmen Sie sich mit „Belfast“ nun erstmals Ihres eigenen Lebens an?
Man redet sich als Regisseur immer ein, dass jeder Film persönlich ist. Aber natürlich ist ein Film über meine Heimatstadt noch mal etwas ganz anderes. Mich ihr einmal zu widmen, reifte schon lange als Idee in mir. Ich wusste nur nicht genau, welche Geschichte ich eigentlich erzählen wollte. Klarheit verschaffte mir dann ausgerechnet der erste Corona-Lockdown 2020. Der ließ mich an den ersten Lockdown in meinem Leben denken, damals, als unsere Straße in Belfast während der Unruhen abgeriegelt wurde. Plötzlich war alles von damals wieder klar und greifbar, die Geräusche und die Gerüche. Mit einem Mal erschien es mir, als hätte ich damals, als Neunjähriger, eigentlich das letzte Mal gewusst, wer ich wirklich bin. Und prompt schrieb sich das Drehbuch fast von selbst.

Gab es beim Schreiben oder Drehen je Momente, in denen Ihnen die Sache zu persönlich wurde?
Nicht für mich, aber andere Leute hatten die Sorge. Ein paar Menschen in meinem engeren Umfeld lasen das Drehbuch und fanden, dass ich zu weit gehe und an einigen Stellen Erinnerungen teile, die zu privat sind. Allerdings wusste ich natürlich, dass das Publikum am Ende gar nicht genau unterscheiden kann, was Fakt und was Fiktion ist. Und was kann schon als Fakt gelten, wenn man mit 50 Jahren Abstand versucht, sich in einen Neunjährigen hineinzuversetzen? Abgesehen davon waren bei der Umsetzung der Geschichte andere Menschen beteiligt, was automatisch einen gewissen Abstand zu meiner Biografie mit sich brachte. Ich war immer offen für Ideen und Änderungswünsche, sei es vom Kameramann oder meinem Ensemble, um die Geschichte über meine persönlichen Erinnerungen hinaus weiterzuentwickeln.

Besagter Neunjähriger steht uneingeschränkt im Zentrum von „Belfast“. Wie schwierig gestaltet sich die Suche nach dem geeigneten Darsteller?
Sehr schwierig, denn natürlich stand und fiel alles mit ihm. Ohne den richtigen Jungen hätte sich diese Geschichte nicht erzählen lassen. Entsprechend nervös war ich immer noch, nachdem wir uns bereits für Jude Hill entschieden hatten. Die ersten beiden Drehtage schaute er immer wieder in die Kamera – und ich fürchtete, wir hätten einen großen Fehler gemacht. Doch zum Glück legte sich das, je mehr er mit anderen Personen spielte. Nur ein paar Tage später wusste ich, dass ich es kaum besser hätte treffen können.

Der Junge im Film liebt Kino und Fernsehen, von „High Noon“ bis „Star Trek“. Sind das tatsächlich die Filme und Serien, die Sie persönlich geprägt haben?
Definitiv. „Star Trek“ lief immer samstagnachmittags, wenn wir bei meiner Oma waren. Phaser-Pistolen und Beamen waren eine wunderbare Ablenkung von dem, worüber die Erwachsenen im gleichen Raum sprachen. Und Western gehörten sowieso zum festen Programm meiner Jugend, denn die liefen ständig im Fernsehen. Deren klar strukturierte, leicht zu verstehende Welten mit Helden und Bösewichten, Frauen, die es zu retten galt, und Besitz, der beschützt werden musste, sprachen mich als Kind sehr an und prägten in jungen Jahren meine Weltsicht, die dann mit den im Film gezeigten Ereignissen gehörig durcheinander geriet.

Sie haben dann später nie wieder in Belfast gelebt. Steckt heute noch etwas von Ihrer Geburtsstadt in Ihnen? Klar, man kriegt den Jungen zwar aus Belfast heraus, aber nicht Belfast aus dem Jungen. Ich glaube, mein Sinn für Humor und mein Blick aufs Leben sind bis heute typisch für die Stadt. Es gibt in Belfast keine größere Sünde, als sich selbst zu ernst zu nehmen, das habe ich sehr verinnerlicht. Auch die Angewohnheit, nicht einmal in den dunkelsten Momenten meinen Humor zu verlieren, verdanke ich sicher meiner Heimat. Das lernte man in Belfast nämlich schnell.

Fazit
Der neunjährige Buddy (Jude Hill) versteht die Welt nicht mehr, als es in seiner Nachbarschaft plötzlich zu gewalttätigen Tumulten zwischen Protestanten und Katholiken kommt. Nicht nur sein bis dahin gut sortiertes Weltbild, sondern auch sein Familienalltag verändern sich von einem Tag auf den anderen für immer. Nachvollziehbar sentimental und in Schwarzweiß erinnert sich Branagh, dessen neue Agatha Christie-Verfilmung „Tod auf dem Nil“ parallel in den Kinos läuft, an die eigene Kindheit und lässt sich dabei ganz auf die Perspektive seines jungen Alter Egos ein. Eher nostalgisch und erbaulich als düster oder politisch lebt „Belfast“ vor allem von einem tollen Ensemble (mit Caitríona Balfe, Jamie Dornan, Ciarán Hinds und Judi Dench) sowie der Musik der nordirischen Rock-Ikone Van Morrison.

Patrick Heidmann