Literatur

24.02. | Hörbuch der Woche

Cho Nam-Joo • Kim Jiyoung, geboren 1982

Argon

Wie viel Unterdrückung, Schuldzuweisungen und Einschränkungen erträgt eine Seele, bevor sie bricht? Drehbuchautorin Nam-Joo Cho wirft ihre autobiografisch inspirierte Hauptfigur Kim Jiyoung in einen Versuchsaufbau, der diese Frage aufgreift und dort einsetzt, wo Jiyoungs Psyche die andauernde Misogynie der koreanischen Gesellschaft nicht mehr ertragen kann und ihre Persönlichkeit sich in depressive Splitter legt. Ihr Therapeut erzählt retrospektiv von einem Leben, das fortwährend und vornehmlich von Männern bewacht, gesteuert und geprüft wird. Als Tochter wird sie als Trostpreis neben dem männlichen Nachwuchs behandelt, steckt für ihren jüngeren Bruder zurück, wird von Lehrern oder Kollegen sexualisiert. Mit einem genügsamen, sonnigen Gemüt erträgt Jiyoung alle Ungerechtigkeiten, findet Verbündete und lernt im Laufe ihres Studiums, die systematischen Untervorteilungen von Frauen immer tiefgreifender zu analysieren. Unerträglich wird es für die junge Frau, als sie selbst ein Kind bekommt, ihren Beruf aufgeben muss und von übersteigerten Anforderungen zerfressen wird. Nam-Joo Cho erzählt unsentimental, aber doch voller Gefühl für all jene perfiden Details des Patriarchats. Ihr Roman, der in Korea zum Bestseller avancierte, wird nun für deutschsprachige Hörer*innen vor allem durch Nele Rosetz‘ weichen Ton zu einer Erzählung, deren feministische Strahlkraft noch weit über Korea hinausreichen dürfte.


Cho Nam-Joo
Kim Jiyoung, geboren 1982

Gelesen von Nele Rosetz & Felix von Manteuffel
Argon, 4 Stunden und 53 Minuten

Marina Mucha